Immenstadt-Thanners(hcr). - In dicken Tropfen hängt der Morgentau an den Spitzen des Wollgrases, Torfmoos überwuchert in sattem Grün die dunkelbraunen Tümpel. 'Das ist wieder Wildnis pur', freut sich Julia Wehnert, Geschäftsführerin der Bund Naturschutz-Kreisgruppe Kempten-Oberallgäu. In Gummistiefeln watet die Diplom-Biologin durch das mit Wasser gesättigte Werdensteiner Moos in Thanners bei Immenstadt. Denn zwei Jahre nach Abschluss der Renaturierung hat sich die Natur das einst trockengelegte Hochmoor weitgehend zurückerobert. Das Werdensteiner Moos hat eine lange Geschichte, erzählt die Umweltschützerin, während ein Reh zwischen den schlanken Birkenstämmen verschwindet: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in dem Hochmoor erstmals großflächig Torf gestochen. Mit den getrockneten Torfblöcken befeuerten die Heizer die Dampflokomotiven der 1853 eröffneten Bahnlinie von Kempten nach Lindau. 'Ganze Arbeit leistete dann aber der Reichsarbeitsdienst in der Nazizeit', so Julia Wehnert. Denn weil auf dem 80 Hektar großen Gelände zwei Bauernhöfe angelegt werden sollten, zogen 180 Arbeiter große Gräben, entwässerten das Moor planmäßig und haben ihm damit 'den Rest gegeben'. Anfang der 80er Jahre begann dann der Bund Naturschutz damit, sich um das inzwischen zum Landschaftsschutzgebiet erklärte Moos zu kümmern. Das war mittlerweile aber fast ganz von Wald überwachsen. In Handarbeit schlossen Naturschützer und Zivildienstleistende zwei Gräben so mit Dämmen ab, dass das Wasser nun in dem Moor gehalten werden konnte. Doch mit der Arbeitskraft weniger Freiwilliger allein war die Renaturierung nicht zu schaffen. Also schlossen Bund Naturschutz, das Forstamt Kempten und die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt 1994 einen Vertrag, um die Voraussetzungen eines Moores wiederherzustellen: Nässe, Säure und Nährstoffarmut (siehe Wortweiser). Schließlich ist das Werdensteiner Moors nicht nur ein wichtiger Lebensraum für seltene Pflanzen- und Tierarten, erklärt Julia Wehnert, sondern dient auch dem Hochwasserschutz, weil es große Mengen an Wasser zurückhält. Und so rückten 1996 die Waldarbeiter mit schweren Maschinen an, um große Teile des Waldes zu roden, der in einem Moor nichts zu suchen hat. Das war zum Beschleunigen der Renaturierungsmaßnahme notwendig, betont Wehnert. Denn weniger Bäume bedeuten weniger Verdunstung - und damit stehen mehr Wasser und Licht für die sonnenhungrigen Torfmoose zur Verfügung. Die Spuren der Maschinen durchfurchen noch heute den feuchten Boden; allerdings legen jetzt die Laub- oder Grünfrösche ihren Laich hinein. Oder es wachsen Rohrkolben darin. Viele freiwillige Helfer haben in den vergangenen 20 Jahren über 20000 Arbeitsstunden in das Moor investiert. Sie legten allein im Nordteil über 100 Dämme aus Tonerde an, um das in den alten Gräben abfließende Wasser zu stauen und in die Fläche zu verteilen. Denn 'das Moor lebt von Wasser', erklärt Julia Wehnert.
Zwei Aussichts-Türme Deshalb sei ein gleichmäßig hoher Wasserstand sehr wichtig. Alle Tiere und Pflanzen, die sich im Kern oder am Rand eines Moores niederlassen, sind Spezialisten, erläutert die Biologin. Im Moos habe sich zum Beispiel die 'Hochmoor-Mosaikjungfer' wieder angesiedelt - eine Libellenart, die im Oberallgäu noch bis vor wenigen Jahren als verschollen galt. 'Dass die Renaturierung so schnell anschlägt, hätten wir nicht gedacht', meint Wehnert. Ein untrügliches Zeichen dafür sei die Tatsache, dass mittlerweile auch der alte, erhöhte Lorenweg, auf dem einst der Torf aus dem Moor transportiert wurde, überwuchert ist. Der zentrale Bereich des Werdensteiner Mooses, der seit der letzten Rodung sich selbst überlassen blieb, ist daher für Fußgänger nicht passierbar. Die können jedoch bequem von einem Holzschnitzel-Pfad am südlichen Rand des Moores aus die Tierund Pflanzenwelt beobachten, ohne sie zu stören. Dort ermöglichen zwei Aussichtstürme den Panoramablick auf graugrüne Sumpfgräser, niedrige Heidelbeersträucher und die überall aus dem Wasser ragenden Baumstümpfe - Heimat für viele Spechte und Käuzchen.