Angeblicher Toilettenschmierer fordert Schriftgutachten Lindau/Westallgäu (enz). Dass die Wände öffentlicher Toilettenanlagen häufig für Wandschmierereien und allerlei Beschriftungen herhalten müssen, ist ein Ärgernis. Nicht nur aus optischen Gründen, sondern weil letztlich der Steuerzahler die Kosten eines neuen Anstrichs zahlen muss.
Die Übeltäter der Wandbeschriftungen zu ermitteln, ist in der Regel vergeblich. Einen Anhaltspunkt glaubte ein Bediensteter der Stadt Lindau gefunden zu haben, als er in der öffentlichen Herrentoilette am Europaplatz eine mit wasserfestem Stift geschriebene Telefonnummer entdeckte. Ein Anruf ergab, dass es sich bei der Nummer um den Telefonanschluss eines Homosexuellen handelte. Die Folge war ein Strafbefehl wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung. Geahndet mit einer Geldstrafe von 750 Euro (30 Tagessätze à 25 Euro). Gegen den Strafbefehl legte der 56-jährige Schwabe Einspruch ein. Da habe sich jemand einen Scherz erlaubt, er sei in den vergangenen fünf Jahren nicht in Lindau gewesen. Richter Eckhard Turowski konfrontierte den 56-jährigen mit dem Inhalt des Telefonats, wonach dieser die Urheberschaft für die Beschriftung der Toilettenwand bestätigt habe. Dafür gebe es einen triftigen Grund, erwiderte der Angeklagte und ließ die verblüffende Erklärung folgen: 'Ich sage am Telefon auf Fragen meistens ja, weil ich schwerhörig bin.' Bei einem 'Nein' vergrätze man gleich den Anrufer. Als Zeugen seiner Schwerhörigkeit habe er seinen Lebensgefährten mitgebracht, der zudem den Anruf aus Lindau mitbekommen habe und seine Unschuld bezeugen könne. Turowski: 'Hatten Sie während des Telefonats die Lautsprecheranlage eingeschaltet?' Antwort: 'Nein.' Turowski: 'Dann ist der Mann als Zeuge ungeeignet.' Im Übrigen, so fuhr der Richter fort, könne er sich nicht vorstellen, dass jemand Interesse habe, eine fremde Telefonnummer fernab in der Lindauer Herrentoilette zu hinterlassen.' Jetzt sah sich die Verteidigerin gefordert: Es sei in der Homoszene nicht unüblich, dass man untereinander Telefonnummern weitergebe. Sie schlage die Erstellung eines Schriftgutachtens vor. Nach kurzem Geplänkel wurde die Verhandlung vertagt, wozu als Zeugen der Lindauer Stadtbedienstete und ein Polizist geladen werden.