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Wer neben so einem wohnt, hat verloren

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Wer neben so einem wohnt, hat verloren

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    Kempten(buc). 'Viel Feind, viel Ehr'': Wenn's nach diesem Sprichwort ginge, wäre ein Kemptener ein wahrer Held: Der Streitbare hat der Polizei schon über 40 Anzeigen beschert - die meisten betrafen seine Nachbarn. Die haben sich nun - nachdem es unlängst zu Handgreiflichkeiten kam - an die Staatsanwaltschaft gewandt. Über 15 Familien und Einzelpersonen bitten um Hilfe: 'Das ist doch Psychoterror, was sollen wir nur machen? Wir trauen uns nicht mehr vor die Tür!', klagt eine Anwohnerin gegenüber der AZ. 'Wenn Du neben so einem wohnst, hast Du verloren', seufzt auch Wolfgang Nitsche, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion (PI). 'Der Mann hat sich in den letzten vier Jahren über 40 Mal an uns gewandt - meistens aus ganz nichtigem, völlig harmlosen Anlass', erklärt Nitsche. Dabei ging's um falsch geparkte Autos, Lärm im Garten nach 22 Uhr, Benutzung des Fußballplatzes außerhalb der erlaubten Zeiten - Dinge, die täglich tausendfach passieren. Freilich, betont Nitsche, sei nicht alles unbegründet, was der Mann vorbringe: Sein Haus liege am Lotterberg in einem reinen Wohngebiet. Dass er sich gegen eine dort angesiedelte Transportfirma und damit einher gehende Belästigungen wie viel Verkehr, nächtliches Türenschlagen oder laufende Standheizungen der Lkw wehrt, sei sein gutes Recht. Diese Anzeigen habe die Polizei seinerzeit an die Stadt weiter geleitet. Und dort, so Rechtsdirektor Wolfgang Klaus, habe man auch jede Anzeige überprüft, aber es sei 'alles ergebnislos im Sande verlaufen.' Sicher nehme die Polizei die Befürchtungen der Nachbarn ernst, aber Nitsche ist überzeugt, dass von dem Mann keine Gefahr ausgeht: 'Er ist sichersehr pingelig, was Verordnungen betrifft, aber er ist keineswegs gefährlich.' Zwar sei bei der letzten Auseinandersetzung ein Nachbar leicht verletzt worden, aber die Verletzungen waren - auch nach Aussage des Arztes - 'unbedeutende Kratzer'. 'Streitigkeiten unter Nachbarn sind unser täglich Brot', erklärt der stellvertretende PI-Chef. Besonders im Sommer gibt's Klagen, vor allem wegen Lärms: 'Wir gehen jeder Sache nach. Freilich nach Wertigkeit. Wenn also ein Unfall dazwischen kommt, muss eine Ruhestörung warten.'

    Strafverfolgung schwierig Nachbarschaftsstreitigkeiten beschäftigen auch die Staatsanwaltschaft immer wieder, sagt deren Pressesprecher Peter Koch. Sehr selten sei, dass wie hier mehrere Nachbarn gemeinsam Anzeige erstatten. Ergeben sich Anhaltspunkte für eine Straftat (im Schreiben an die Staatsanwaltschaft ist von Beschimpfungen, Drohungen und Anzeigen 'aus nichtigsten Anlässen' die Rede), so werden Ermittlungen durchgeführt. Allerdings: 'Bei Delikten wie Hausfriedensbruch, Beleidigung oder Sachbeschädigung verweisen wir den Anzeigererstatter auf den Privatklageweg, da bei diesen Straftaten nur dann Anklage erhoben wird, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt'. Eine Strafverfolgung, weiß Koch, gestalte sich da oft schwierig, weil in der Regel jede Seite ihre Zeugen habe: 'Neutrale Beweismittel sind häufig nicht vorhanden.' Wie viele Nachbarschaftsstreitigkeiten vor Gericht kommen, könne man nicht so leicht feststellen, sagt Amtsgerichtsdirektor Gerhard Dambeck: 'Zivilrechtlich, wenn's also um den berühmten Maschendrahtzaun geht, hatten wir heuer gerade mal zwei Fälle. Aber beim Strafrecht steht ja nicht ,nachbarschaftliches Zerwürfnis' auf der Akte, sondern Beleidigung oder Körperverletzung.'

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