Vom Beil des Mannes tropft noch das Blut. Daneben liegt eine Frau, der Länge nach akkurat in vier Teile zerlegt. Frank Wedekinds Moritat "Ich hab meine Tante geschlachtet" hat den Grafiker Werner Klemke zu dieser drastischen Illustration angeregt. Dekorativ schmückt sie den Einband eines Buches, das 1988 in der DDR erschien.
Der Buchkunst in der Deutschen Demokratischen Republik widmet sich eine Ausstellung im Immenstädter Literaturhaus. Sie zeigt Illustrationen und Grafik aus der Sammlung von Arthur Lamka. Der ehemalige Leiter der Lokalredaktion Rhein-Berg des "Kölner Stadt-Anzeigers" ist überzeugt davon, "dass die Buchkunst der DDR der westlichen in keiner Weise nachstand".
Der Bereich Buchgestaltung und Illustration bildete für viele Künstler eine Nische, in der sie freier wirken konnten. Denn die Buchkunst sei - im Unterschied zu Literatur, Film und Malerei - nicht im Zentrum des politischen Reglements gestanden. Zudem wurde sie durch staatlich organisierte Wettbewerbe und Auszeichnungen erheblich gefördert. Daher gab es in der ehemaligen DDR "Buchkünstler und Illustratoren von internationalem Ruf", erklärt der Sammler aus Sonthofen.
Einige von ihnen stehen im Zentrum dieser gehaltvollen Immenstädter Ausstellung. So etwa der Berliner Werner Klemke (1917 - 1994), der für seine Gestaltung des "Decamerone" von Giovanni Boccaccio internationale Aufmerksamkeit erhielt, oder Josef Hegenbarth (1884 - 1962), der nach den Zweiten Weltkrieg in Dresden wirkte.
Der Wolf als Bittsteller
In Hegenbarths Illustration des "Wirtshauses im Spessart" von Wilhelm Hauff etwa breitet ein großer schwarzer Raubvogel mit weiten Schwingen Düsternis über das Land. Und auch der Wolf aus dem Grimm-Märchen von den sieben Geißlein wird nicht nur Kindern gefährlich: Der gestandene Bäcker, den er um Teig für eine wunde Pfote bittet, weicht vor den weit gefletschten Zähnen des hoch aufgerichteten Tieres intuitiv zurück.
Neben solchen, feinen Humor ausstrahlenden Illustrationen finden sich auch ernste, beklemmende: Der ausgemergelte, kahlgeschorene Kopf einer Elendsgestalt in Sträflingskleidung von Pablo Picasso kann in Jewgeni Jewtuschenkos Text "Mutter und die Neutronenbombe" sowohl für die Terroropfer der Vergangenheit als auch für die Strahlenopfer der Zukunft stehen.
Diese eindringlichen Illustrationen ergänzen eine ganze Reihe Grafiken, etwa von bekannten Meistern wie Willi Sitte oder Werner Tübke. Sie werfen eine breite Palette von Themen auf, von den Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg bis hin zur Vereinigung eines Paares.
Über allem schwebt der Geiger
Der Humor kommt wieder beim Leipziger Grafiker Karl-Georg Hirsch ins Spiel, der im Zyklus "Litauische Klaviere" in Chagallscher Manier den Geiger über einer kleinen Dorfszene samt Ziegenbock schweben lässt und damit die magische Kraft der Musik im Alltag veranschaulicht, mag dieser auch noch so dunkel sein.