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Wenn Männer Beute machen

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Wenn Männer Beute machen

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    Von Markus Brändle, Memmingen - Ein bisschen erschreckt schaut sie drein, die dreijährige Janine, und rückt näher zur Mama heran. Ist das der Papa? Der grad so geschrien hat. Nein, der Aufforderung zum Küsschen-Geben kommt sie jetzt nicht nach. Auch wenn das wassertriefende und kalte Mannsbild ihr Vater ist. Manfred Gromer, 30, ist gerade aus dem Stadtbach geklettert. Als einer von 1370 Fischern, die am Samstag punkt 8 Uhr in die Memminger Ach gejuckt sind. Wie es der Tradition in der Maustadt seit 1572 entspricht, die alle Jahre wieder das Bach-Ausfischen zum Spektakel macht, ja zum Festtag. Eine Frage der Fischerehre ist es auch, dass man ohne eine zappelnde Forelle im 'Bären' den Angehörigen und Freunden besser nicht unter die Augen tritt. Manfred Gromer hat sein Soll erfüllt. 'Meine zwei Pflichtfische hab&po_171; ich', sagt er erleichtert. Und versteht nicht ganz, warum ihn die kleine Tochter partout nicht abbusseln mag. Wo er&po_171;s doch wieder geschafft hat. In einer knappen halben Stunde ist der massenhafte Fischzug der Memminger Männer (Frauen sind bis heute nicht zugelassen) vorbei. Ein Fischzug, der die Bevölkerung in hellen Scharen an den Stadtbach zieht. Beim bloßen Fische-Herausziehen bleibt es nicht. Der Fischertag wird am Vorabend feierlich ausgerufen. Am Samstag in der Früh begibt sich der Zug zum Schrannenplatz, wo traditionell der Fischerspruch gegeben wird. Diese Aufgabe obliegt dem Oberfischer. Albert Heuss verkündet heuer zum zehnten und für ihn letzten Mal, vom Weinfass herab, was sich im Städtle alles Bemerkenswertes zugetragen hat. Unterbrochen immer wieder durch lautstarkes 'Hö, hö, hö' der tatendurstigen Fischer, die in großer Zahl mit ihren Fanggeräten, den sogenannten Bären, den Platz füllen. Mit Tieren haben diese 'Bären' nicht das geringste zu tun. Vielmehr leitet sich der Ausdruck aus dem Althochdeutschen ab: Die 'Bere', so weiß Heimatpfleger Uli Braun, bezeichnet das Fischernetz, mit dem die Memminger alle Jahre auf die Jagd gehen. Ziel der Begierde sind Regenbogen- oder Bachforellen und Saiblinge. Diesen drei Salmoniden-Arten, 'salmonidos stadtbachos', wie sie von Stadtgarde-Hauptmann Werner Eberhardt flugs tituliert werden, geht es an die Schuppen. Zur Einstimmung bemüht Oberfischer Heuß mehrfach den Herrgott, der seine wohlwollende Hand in diesem Jahr ganz gewiss über den Memminger Fischertag gehalten habe. Zuletzt der viele Regen, der die Stadt so recht geputzt habe und dann, pünktlich zum Fischertags-Beginn, schönes Wetter; das sei eine rechte Gnad', meint der Oberfischer.

    Zur frommen Andachtsrede mutiert der Fischerspruch freilich auch anno 2002 nicht. Dafür sorgen schon die zum Teil recht verwegen dreinblickenden Fischer, die sich lautstark bemerkbar machen. Das Schmotzer-Lied tut sein übriges: 'Schmotz, schmotz, Dreck auf Dreck, Schellakenig, wiaschde Sau ' Immer und immer wieder dringt dieser Fischertags-Refrain in die Gehörgänge. 'Schmoootz, Schmootz ' Zitat In Bach juckt uns koi Weib it nai.} Albert Heuß bei seinem letzten Auftritt als Oberfischer Das langgezogene 'Schmoootz' lautmalt sehr treffend den schleezigen Schlamm, in dem die Fischer schließlich massenweise waten, immer wieder ihre Bären prüfen, angefeuert von den Schaulustigen und vor allem sich selber kräftig anfeuernd. 'Hö, hö, hö ' Durchaus wichtig für die Männer im Wasser ist eine gute Assistenz am Ufer. Wo Freunde oder Angehörige mit dem Wassereimer bereit stehen sollten. Nicht dass es anderen so ergeht wie jenemwackeren Fischer an der Schranne, der endlich ein zappelndes Tier im Kescher hat, aber keine passende Entsorgungsmöglichkeit. 'Hei, hei, hei, wo isch mein Kübel?' schreit er immer wieder, den Bach auf- und ab rudernd. Gegen halb neun Uhr zerstreut sich der Auflauf an den Memminger Bachläufen allmählich. Dafür steht anderen die Aufregung ins Gefieder geschrieben: Fünf kleine Entlein schwimmen nervös hin und her, sich fast aneinander pressend. Während die aufgescheuchten Entchen sich beruhigen, steigt bei den anderen die Spannung, wer denn nun die größte Forelle an Land gebracht hat. Dies bekannt zu machen, ist der 'Krönungsfrühschoppen' da, in der Stadionhalle. Eingebettet in ein buntes Programm, wird der letztjährige Fischerkönig vom Birkenthron verjagt und der neue eingesetzt. Rund um die Krönung wird mächtig Ramba-Zamba gemacht, breitkrempig die Hüte, lokal oder regional prominent viele der Besucher. Trachtenverein, Stadtkapelle, Trommlerbuben, TV-Garde, Stadtgardisten und tanzende Putzfrauen sorgen für den gewünschten Schwung. Schließlich übernimmt Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger von Stadtkapellen-Dirigent Jonny Ekkelboom den Taktstock, dirigiert seinen geliebten Laridah-Marsch. Staatsminister Josef Miller schlägt die große Trommel und Landtagsabgeordneter Herbert Müller lässt die Becken klingen.

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