. . . hat es auch der Amtsrichter nicht einfach Kempten (mun). Wahrlich nicht eben damenhaft waren die Worte, die eine 32-Jährige ihrem 59 Jahre alten Nachbarn an den Kopf geworfen hatte. 'Verpiss dich' soll da noch das Vornehmste gewesen sein. Als 'armer Irrer' habe sie ihn ebenfalls tituliert, gestand die Kemptenerin vor Gericht ein, denn: 'Er hat mich bedrängt.'
Auf der anderen Seite des seit längerem schwelenden Nachbarschaftsstreits steht jener 59-Jährige, der sich offensichtlich ganz gerne mit seinen Mitmenschen anlegt, schon mehrfach Anzeigen erstattet hatte und der von sich selbst sagt: 'Mit einem Teil der Nachbarschaft habe ich Theater.'
Warum sich mit einer solchen Geschichte das Kemptener Amtsgericht beschäftigen musste, ist schnell erklärt: Nachdem die Staatsanwaltschaft an jenem Nachbarschaftsstreit nun wirklich kein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung sah, strengte der 59-Jährige eine Privatklage an. Und über die musste nun Amtsrichter Stefan Legat in einer Hauptverhandlung entscheiden, nachdem auch ein Gütetermin ohne greifbares Ergebnis verlaufen war.
So trafen sich die lieben Nachbarn wieder. Diesmal nicht am Gartenzaun, sondern im Sitzungssaal 158 der Kemptener Residenz beide Parteien von Anwälten begleitet.
Es sei nicht ihre Art, 'so zu reden', versicherte die Beklagte. Aber an jenem Tag im September 2000 habe besagter Nachbar sie provoziert. Zunächst habe er Fotos von ihr gemacht. Dann, so schilderte die Frau, sei er vor ihrem Grundstück auf- und abgegangen und sie habe sich bedrängt gefühlt: 'Ich hab\' ihm dann gesagt, er soll sich endlich verpissen und dass er wohl ein armer Irrer ist.' Zuvor habe der Nachbar ihr geraten, wenn sie Angst habe, solle sie sich doch einen Personenschutz suchen. Anders, wenn auch nicht gänzlich unterschiedlich, klang die Version des Klägers: Ja, er habe damals fotografiert. Aber nicht etwa seine Nachbarin, sondern den Bagger und den Baucontainer vor deren Haus als Beweismittel. Wofür? 'Für eine Anzeige als Beweissicherung'. Und das mit dem Personenschutz, räumte der 59-Jährige ein, habe er auch so gesagt.
'Dann lachen alle '
Einem richterlichen Vergleichsvorschlag, das Verfahren bei Kostenteilung unter beiden Parteien einzustellen, stimmte der 59-Jährige nicht zu. Denn: 'Ich lasse mich nicht beleidigen und werfe mein Geld zum Fenster raus', redete sich der Mann in Rage: 'Dann lachen sich alle in der Straße kaputt und sagen noch ganz andere Sachen zu mir.'
So blieb Amtsrichter Legat nichts anderes übrig, als zumindest vorerst einen Schlussstrich unter den nachbarschaftlichen 'Verpiss-dich-Streit' zu ziehen: Er stellte das Verfahren wegen geringer Schuld ein.
Die Gerichtskosten teilen sich demnach beide Streitparteien je zur Hälfte, die 32-Jährige aber muss ein Drittel der Anwaltskosten des Klägers übernehmen. Gegen dieses Urteil aber kann ihr Nachbar Rechtsmittel einlegen. Und der war mit dem Richterspruch nun wahrlich nicht zufrieden und hatte sich schon in einer Verhandlungspause lautstark auf dem Gerichtsgang empört: 'Wenn ich Sizilianer wäre, wäre schon was ganz anderes passiert.' Was er damit andeuten wollte? Vielleicht hätte er dann seine Nachbarn in die nächste Taverna zum Versöhnungstrunk eingeladen, der Amtsrichter hätte wichtigeren Dingen nachgehen können.
Interpretieren wir es einfach mal so