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Artikel: Wenn der Lech bergauf fließt und Gletscher hungern

8. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Hobbyforscher Der Pfrontener Hans Geyer räumt gleich mit zwei Legenden auf

Pfronten | mar | Gleich mit zwei Legenden räumt der Pfrontener Hobbyforscher Hans Geyer im neuen Band seiner vierbändigen Reihe über die Entwicklung des Alpenvorlands zwischen Wertach und Lech auf: Mit der, dass der Lech einst nördlich von Nesselwang ins Tieftal der Wertach geflossen sei. Und mit der, dass die Alpengletscher wegen der Klimaerwärmung abschmelzen. Tatsächlich, so ist Geyer überzeugt, fehlt den Gletschern der Materialnachschub durch Niederschläge. Die Temperaturen hätten dagegen einst deutlich höher gelegen.

Woher die noch heute verbreitete, aber mittlerweile widerlegte Ansicht kommt, der Lech sei einst über Vils und Pfronten an Nesselwang vorbei in die Wertach geflossen, hat Geyer inzwischen herausbekommen. 1896 hatte ein Forscher namens K. Winter diese Theorie in einer Publikation des Naturwissenschaftlichen Vereins Schwaben und Neuburg veröffentlicht (siehe Infoblock). Sie muss später so auch in den Schulen unterrichtet worden sein.

Zwei falsche Annahmen

Zwei falsche Annahmen lagen ihr zugrunde: So sah Winter die Geländeerhebung im Bereich des Weilers Wank bei Nesselwang als Moräne an. Demnach hätte sie erst in der Eiszeit ein Gletscher mit Kies und Schutt aufgehäuft. Tatsächlich weiß man mittlerweile, dass es sich um massiven Molassefels handelt, der einem Fluss im Weg gestanden hätte.

Auch bei der Gefällrichtung lag Winter falsch: Der Lech hätte bergauf fließen müssen, um den von ihm vorgezeichneten Weg zu nehmen. Tatsächlich geht das Gefälle zwischen Nesselwang, Pfronten und Vils auf die Berge zu, wie noch heute der Verlauf des Flusses Vils zeigt. Einst hatte wohl die Wertach den von Winter für den Lech vorgezeichneten Weg genommen, vermutet Geyer - allerdings in umgekehrter Richtung.

Niederschläge werden weniger

Den seiner Ansicht nach wahren Ursachen für den Rückgang der Alpengletscher kam Geyer unterdessen auf die Spur, als er die Statistiken über die Hochwässer des Rheins während der vergangenen 1200 Jahre betrachtete und mit den vorhandenen Daten von Lech und Iller im Allgäu verglich.

Demnach stiegen die Niederschlagsmengen zwischen dem Jahr 800 und dem Höhepunkt der "kleinen Eiszeit" zwischen 1500 und 1600 kontinuierlich an, um danach wieder zurückzugehen. Ein Effekt, der sich für die vergangenen gut 100 Jahre auch für die Einzugsbereiche des Lechs, der Wertach und der Iller nachweisen lässt. Deren durchschnittlicher Abfluss lag in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts höher, als in der zweiten. Die Gletscher "verhungern" demnach, weil in den Alpen nicht mehr genug Schnee fällt, um sie weiter ins Tal zu treiben. Bei den Temperaturen liege man dagegen derzeit in der seit 14000 Jahren andauernden Warmzeit im mittleren Bereich, betont Geyer.

Bei zwei Vorträgen stellt Hans Geyer seine Forschungen im Gemeindehaus in Pinswang vor: am 12. und 19. November, jeweils Mittwoch um 19.30 Uhr.