Mario Sadjadi ist auch in seiner Freizeit eine durchaus auffällige Person. Der imposante Körper steckt in einem wallenden, schwarzen Gewand. Vom Haupthaar ist nicht mehr viel übrig. Dafür ziert ein langer Kinnbart sein Gesicht. Wenn Sadjadi lacht, und das tut er oft, zieht der Goldzahn alle Blicke auf sich. Ein Halbmond baumelt an seinem Ohr. Der 49-Jährige könnte einem Karl-May-Roman entsprungen sein. Und das eine oder andere Klischee macht er sich durchaus zunutze. "Die Menschen lieben das", sagt der Geschäftsmann, der als "Dattelschlepper" auf mittelalterlichen Märkten in ganz Deutschland anzutreffen ist. Mit Turban, orientalischer Kleidung und viel Schmuck wird er dann zum König der Basare.
Mit der Historie wird es bei solchen Veranstaltungen nicht immer so genau genommen. Dort gibt es Wikinger und Ritter - dazwischen schafft Sadjadi mit seinem Stand eine Atmosphäre, die jedem orientalischen Markt alle Ehre machen würde. Als Perser trifft er auf Edeldamen, Seeräuber und Bauern - seine Kunden schwätzen schwäbisch und babbeln hessisch. "Über Geschichte diskutieren muss man gar nicht so viel", sagt er. "Es geht doch um das Erlebnis." 80 Prozent machten bei ihm die Dekoration aus; 20 Prozent seien Verkauf.
Sein Orient-Früchtezelt lädt zum Verweilen ein. Kunden lassen sich schon mal auf dem Diwan nieder, probieren die orientalischen Köstlichkeiten. "Wir machen das ganz entspannt", sagt Sadjadi. Die Kostproben persischer Spezialitäten sind selbstverständlich beim "Dattelschlepper", fast jeder wird danach zum Kunden.
Berberitze, geröstete Kichererbsen, wilde Feigen, Maulbeeren - die Töpfe bei Sadjadi sind prallvoll. Begehrt sind auch seine Mischungen, die so erhellende Namen wie Drachenkuss (scharf), Fluch der Karibik (Kokosnuss, süß) und Taj Mahal (Curry) tragen. Seine Produkte bezieht der Kaufbeurer über Hamburger Großhändler aus dem Iran, Afghanistan oder Südamerika. Die Exoten unter den exotischen Früchten, wie die aromatische Wasabi-Nuss, kommen auch schon mal aus Japan.
Die Lebensgeschichte des Mario Sadjadi ist ebenso schillernd wie sein Beruf. Sein Vater Morteza "Mori" Sadjadi (73), einst umtriebiger Geschäftsmann und Kaufbeurens bekanntester Deutsch-Perser, kam früh aus Teheran nach Deutschland. Mario wurde in Landsberg geboren. Der Dialekt verrät die oberbayerischen Wurzeln.
"Ein wenig extrem" sei er schon immer gewesen, sagt Sadjadi, dessen Äußeres sich von Mitschülern und Kollegen unterschied. "In mir schlummerte halt der alte Perser." Eine solide Lehre als Großhandelskaufmann absolvierte Sadjadi in der Gablonzer Industrie, bei der Firma Gustav Lindner. Er führte mal ein Bekleidungsgeschäft und war in der Teppichbranche tätig.
Bis der oberbayerische Allgäuer dem Perser in ihm vor zehn Jahren noch ein wenig mehr Platz einräumte. Sadjadi wurde Händler, erst auf Wochenmärkten, dann mehr und mehr bei historischen Spektakeln. Die ganze Familie ist mittlerweile eingespannt. Seine Partnerin Karin hilft ebenso wie die Kinder Moritz und Sebastian sowie seine Schwester Monir, weitere Angestellten und Aushilfen. Jedes Wochenende im Sommer sind die Sadjadis auf zwei, drei Veranstaltungen präsent, im Winter sind es viele Weihnachtsmärkte.
Unter der Woche müssen der Wareneinkauf, die Büroarbeit, der Internetverkauf erledigt und der nächste Marktauftritt vorbereitet werden. "Das schlaucht ganz schön", sagt der "Dattelschlepper". Erst wenn er in seinem mit Teppichen und Tüchern behängten Stand steht, darf er durchschnaufen. "Dann", sagt Sadjadi, "kann ich ganz der Entertainer sein."