Anneliese Loracher (54) hat Übergewicht. "Mein ganzes Leben war ich die Kleinste und Dickste", sagt sie. "Tausend Versuche" habe sie unternommen, um abzunehmen, jede Diät probiert. "Aber eine Diät hilft nicht", hat die Wirtin der "Zirbelstube" in Missen-Wilhams erfahren müssen. Es gehe vielmehr um die Frage: "Welches Gefühl mache ich mit Essen nieder?" Jetzt hat sie in Missen-Wilhams eine Selbsthilfegruppe gegründet. Mit Gesprächen und Bewegung wollen die Betroffenen ihren eigentlichen Problemen auf die Spur kommen, aber auch ein neues Körpergefühl entwickeln.
Es hilft nichts, wenn man isst
"Hinter jedem Übergewicht steht ein Schicksal", ist Anneliese Loracher überzeugt. Als ihr Mann vor 19 Jahren tödlich verunglückte, hat sie angefangen, "die Trauer mit Essen zu überdecken". Auch ihrem nächsten Schicksalsschlag, einen schweren Unfall mit einer zeitweiligen Querschnittlähmung, versuchte sie auf diese Weise zu begegnen. "Inzwischen weiß ich ja: Es hilft nichts, wenn man isst." Nach dem Unfall sollte und musste sich Loracher bewegen, und so meldete sie sich zu einem Nordic-Walking-Kurs in ihrem damaligen Wohnort Kempten an. Die Trainerin machte ihr aber schnell klar, dass sie mit dem Tempo der anderen normalgewichtigen Teilnehmer nicht würde mithalten können.
Wenn sie aber acht "pfundige" Leidensgenossen zusammenbrächte, würde sie diese Gruppe leiten. Anneliese Loracher fragte in ihrem Bekanntenkreis, doch es fanden sich keine Mitstreiter: "Keiner wollte zugeben, dass er es alleine nicht schafft." Erst ein Aufruf in der Heimatzeitung brachte den erwünschten Erfolg: 30 Menschen meldeten sich und trafen sich fortan zu Nordic Walking, Aqua-Fitness und Yoga. Die Kosten übernehmen zum größten Teil die Krankenkassen, betont Loracher. Heute zählt die Kemptener Gruppe 120 Mitglieder. Von einer Aktiven weiß sie, dass sie so 45 Kilo abgenommen habe.
Ohne spezielle Diät
Anneliese Loracher verlor 20 Kilo - ohne spezielle Diät. Natürlich müsse man die Ernährung umstellen: "Jeder weiß, von was er dick ist." Noch wichtiger sei es, seine Probleme zu bewältigen. Und da müsse jeder seinen Weg finden - mithilfe der Gruppe und der zahlreichen Gespräche: "Wer ist kompetenter als die Betroffenen!", sagt sie. Der Austausch sei wichtig, um "Kraft und Hoffnung von anderen zu schöpfen." Die Bewegung helfe, Probleme zu verarbeiten, und führe zu einem "ganz anderen Körpergefühl".
Im Dezember vergangenen Jahres übernahm die Gastwirtin die "Zirbelstube" in der Ferienanlage in Wilhams. Und als sie dort das Hallenschwimmbad sah, wusste sie: "Ich muss eine neue Gruppe gründen.
" Inzwischen hat sie acht Gleichgesinnte gefunden, doch "es sind noch Plätze frei". In der nächsten Woche trifft sich die Gruppe erstmals zum Aqua-Fitness-Kurs. Geplant sich noch Kurse in Aqua-Jogging und Yoga. Und natürlich wird ein Stammtisch eingerichtet, um sich im Gespräch gegenseitig Mut zu machen. Oder um die von jedem gefertigten Protokolle zu analysieren: Wann habe ich was warum gegessen? Und um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was der Körper wirklich an Nahrung braucht. Loracher: "Das ist ganz minimal."
Das erste Treffen der Selbsthilfegruppe zur Aqua-Fitness findet am Montag, 2. März, um 14 Uhr in der "Zirbelstube" in Missen-Wilhams statt. Weitere Infos bei Anneliese Loracher, Telefon 08320/9102101.