Artikel: Weihnachtsfrieden gilt nur bedingt

13. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

Wie Behörden vor den Feiertagen mit dem 'Vollzug' umgehen

Von Günter Walcz, Memmingen - Bayern war das Bundesland, das den so genannten 'Weihnachtsfrieden' am längsten auf seine Fahnen geschrieben hatte. Vor und zwischen den Feiertagen wurden keine Rechnungen verschickt. Offiziell gibt es den 'Weihnachtsfrieden' schon einige Jahre nicht mehr. Dennoch: Behörden und Kommunen nehmen, dort wo es geht, Rücksicht auf die Bürger. Sie halten sich mit Vollstreckungen weitgehend zurück. 'Weil es auch bei uns offiziell den so genannten Weihnachtsfrieden nicht mehr gibt, verschicken wir unsere Steuerbescheide ganz normal', sagt Waltraud Hochrein in Vertretung des Finanzamts-Leiters Peter Schön. Allerdings habe man für die Vollstreckung flexible Regelungen: 'Wir pflegen so etwas wie ein internes Stillhalten. Unsere Beamten gehen in der Stillen Zeit nur in Extremfällen hinaus, wenn beispielsweise Wegzug droht. Im Normalfall muss man nicht damit rechnen, dass am 24. Dezember der Gerichtsvollzieher vor der Tür steht', sagt die Beamtin. Wie das bei den anderen Finanzämtern geregelt sei, wisse sie nicht. Es gebe aber eine Übereinkunft, dass sensibel mit diesem Thema umgegangen werden solle. 'Immer wieder haben wir allerdings Fälle, wo unverzügliches Handeln angesagt ist. Vor ein paar Jahren wurden wir beispielsweise über eine Zeitungsanzeige darauf aufmerksam, dass ein Schuldner sein komplettes Lager auflöste und am 31. Dezember verschwinden wollte. Da sind wir dann tatsächlich zwischen den Jahren hin', erzählt Waltraud Hochrein. Das sei aber die Ausnahme. Der 'Weihnachtsfrieden' sei abgeschafft worden, weil er bei der elektronischen Datenverarbeitung mehr Ärger als Frieden gebracht habe: 'Während die Nachzahlungen zurückgehalten wurden, mussten wir die Erstattungen versenden. Und das war eine Selektion, die fast nicht zu leisten war.'

Stadt zurückhaltend 'Wir sind schon etwas zurückhaltend, wenn es um die Weihnachtstage geht', sagt Stadtkämmerer Jürgen Hindemit. Ganz normale Gebühren- und Beitragsrechnungen würden zwar verschickt. 'Vollstreckungsbescheide und Mahnverfahren lassen wir aber nicht gerade los', sagt der Kämmerer. Bei allem Feingefühl müsse man jedoch aufpassen, dass keine Termine, wie beispielsweise Verjährungsfristen, übersehen werden. 'Wir schauen schon, dass der Vollstreckungsbescheid nicht gerade unterm Weihnachtsbaum landet', fasst Hindemit zusammen.

Schonfrist vor Gefängnis 'Ladungen zum Strafvollzug schicken wir nur bis zum 1. Dezember hinaus. Das greift insbesondere dann, wenn der Strafantritt unmittelbar vor den Feiertagen liegen oder wenn eine Kurzstrafe über Weihnachten gehen würde', sagt Reinhold Mock von der Memminger Staatsanwaltschaft. Die Geldstrafen-Vollstreckung werde zentral in Bamberg bearbeitet und da gebe es keinen 'Weihnachtsfrieden'. Dann seien da noch die so genannten Vollstreckungs-Haftbefehle, wenn Betroffene ihre Haft nicht angetreten hätten. Hier gelte die Schonfrist ab dem 10. Dezember bis zum 2. Januar, so der Vollzugs-Staatsanwalt.