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Weder Saufgewand noch Werbegag

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Weder Saufgewand noch Werbegag

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    Kaufbeuren (avu). - Heimatliebe nur mit Tracht? Welche Bedeutung hat die Lederhose heute noch? Maskerade, Wahlkampfgag und aufgesetzte Folklore oder eine Hommage an Heimat und Herkunft? Diese Fragen an die Leserinnen und Leser stellte die AZ nach dem Streit zwischen dem Bayernpartei-Vorsitzenden Joachim Franz und dem Freien Wähler Bernhard Pohl, der anlässlich des politischen Aschermittwochs Tracht und Fasching in einem Satz genannt und damit den Zorn des Erstgenannten auf sich gezogen hatte. Hier weitere Leser-Reaktionen. 'Als Landtagskandidat sollte sich Herr Pohl seine Worte tatsächlich besser überlegen', rät Winfried Müller aus Kaufbeuren. Denn daran werde Pohl gemessen, heute und als möglicher Abgeordneter sowieso. 'Ich glaube aber, er hat es nicht ganz so gemeint, wie er es sagt. Eigentlich haben unsere Politiker doch ganz andere Sorgen.' 'Dem Herrn Pohl ist offensichtlich noch nicht klar geworden, wie sehr die Bayern um ihre Einstellung zu Brauchtum und Tradition von allen anderen Deutschen beneidet werden', schreibt Winfried Tümmler aus Rieden, nach eigenen Angaben ein 'Preiß', der seit mehr als 40 Jahren in Bayern lebt, mit einer Bayerin ebenso lange verheiratet ist, dessen Kinder hier geboren sind und der in vielen Vereinen Mitglied und in einigen Vereinen ehrenamtlich tätig ist. 'Ihm ist sicherlich auch nicht geläufig, dass ein US-Amerikaner oder ein Franzose sehr genau wissen, was sie unter ,Bayern', ,Bavaria' oder ,La Bavi&po_143;re' zu verstehen haben und beide verbinden damit neben vielen anderen Merkmalen auch die bayerische Tracht in all ihrer Vielfältigkeit, wozu auch die Lederhose gehört.' Pohl gehöre aber wahrscheinlich auch zu denen, die es als die vornehmste Aufgabe betrachten, Werte wie 'Heimat' und 'Vaterland' zu demontieren, weil sie angeblich nicht mehr in unsere Zeit passen, so Tümmler. 'Ich möchte ihm sein Recht auf eine freie Meinung nicht absprechen, er sollte sie auch äußern, aber er hat, wie der französische Staatspräsident Chirac erst kürzlich aus einem allseits bekannten Anlass außerordentlich treffend sagte, ,den richtigen Moment verpasst, den Mund zu halten'. Auch wenn ,Kleider Leute machen', gescheiter werden sie dadurch mit Sicherheit nicht, denn so fein kann der Zwirn auch beim Nadelstreifenanzug nicht sein.

    ' 'Tracht gehört zu Heimat und Brauchtum. Sie ist Ausdruck der Verbundenheit von Menschen zur Landschaft in der sie leben, und zu ihrem sozialen Umfeld', meint Josef Häusler Vorsitzender des Trachtenvereins D'Wertachtaler Kaufbeuren. Die Tracht sei aber kein Faschingskostüm und kein Saufgewand, sie sei kein Werbegag des Fremdenverkehrs und kein Symbol politischer Gesinnung. 'Tracht unterscheidet zwischen Alltagsgewand und Festtracht und ist als solche Ausdruck der Persönlichkeit des Einzelnen. Und eine speckige Lederhose ist genauso g'schlampert wie eine dreckige oder verrissene Jeans', so Häusler. Das wüssten die Sudetendeutschen genauso wie Franken, Altbayern oder Allgäuer. 'Wenn Herr Pohl nicht weiß, wohin er gehört, darf er gern bei seinem grauen Anzug bleiben. Im übrigen sollte man die Ausprüche des Herrn Pohl nicht so hoch hängen. Sie sind das, was uns von vielen Politikern heute geboten wird: Heiße Luft ohne sachlichen Inhalt', sagt Häusler. 'Ist der Trachtenanzug eine Faschingskleidung?' - in diesem Sinne hatte sich Herr Pohl geäußert, so Dr. Hermann Seiderer, Kreisrat der Bayernpartei. Er vermutet, dass der Freie Wähler Pohl bei Landrat Johann Fleschhut (Freie Wähler), der sich für Tradition und Ehrenamt einsetze, wie auch bei allen Trachtenvereinen, Schützen und Musikern ('denn diese tragen alle eine Tracht') sehr anecken werde. Sicher gehöre zur Heimatliebe nicht zwingend eine Tracht, meint Seiderer. 'Nur: Die Trachtenträger bekunden mit dem Tragen der Tracht in der Öffentlichkeit ihre Heimatliebe und nicht im stillen Kämmerlein.'

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