Von Ingrid Grohe |WestallgäuDie Bildungspolitik im Freistaat war eines der beherrschenden Themen im Landtagswahlkampf. Lehrer und Eltern im Westallgäu wollen es dabei nicht belassen. Bei einer Gesprächsrunde mit der Redaktion des Westallgäuers regten sie an, ihre Erwartungen an die neue Regierung in einem Artikel zu fassen. Diesem Wunsch entsprechend haben wir bei allen Schulen schriftlich nachgefragt, wo Schulleiter, Lehrer und Eltern der Schuh drückt. Aus den insgesamt zwölf Antwortschreiben wird eines deutlich: Was Lehrern das Lehren schwer macht, ist längst bekannt. Es sind vor allem zu große Klassen, zu wenig Zeit und der Druck, unter dem Schüler wie Pädagogen stehen.
Klassenstärken: Nach Auffassung von Angelika Eller-Wiedemann, Lehrerin an der Lindenberger Grundschule, sollten die Klassen in Grund- und Hauptschulen höchstens mit 25, in den anderen Schulen mit 30 Kindern besetzt werden. Die Schulleitung der Hauptschule Lindenberg geht sogar weiter: Klassenstärken von maximal 20 Schülern schlagen Gerhard Hoffmann, Beate Rohrmüller und Uli Mayer vor.
Druck: Nach Ansicht von Iris Poschenrieder, Lehrerin an der Grundschule Lindenberg, erschwert "das verkrampfte Schauen auf die Pisa-Ergebnisse" Pädagogen die Arbeit. Ihre Kollegin Angelika Eller-Wiedemann kritisiert, dass die Schulpolitik die Auslese gegenüber der Förderung zu stark betone.
Übertritt: Wolfgang Herrgott, Elternsprecher am Gymnasium Lindenberg, hält den "unterschiedlichen Bildungsstand, mit dem die Kinder aus verschiedenen Grundschulen hier ankommen" für problematisch. Er teilt die Meinung von Marion Drechsel vom Elternbeirat der Grundschule Simmerberg, die Schüler sollten bis zur 6. Klasse gemeinsam unterrichtet werden.
Betreuung: Marion Drechsel ist der Auffassung, es werde zu wenig Ganztagesbetreuung an unseren Schulen angeboten.

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Dreigliedriges Schulsystem: Dieses wird immer wieder in Frage gestellt. Zumindest eine neutrale Überprüfung dieses Systems fordert Elternsprecher Wolfgang Herrgott.
Räumlichkeiten: Mehr Raum für Schüler und Lehrer wünscht sich Walter Zwinger, Leiter der Realschule Lindenberg. Als konkretes Problem nennt die Grundschule Lindenberg das Fehlen eines zweiten Werkraums. Bei über 500 Schülern sei die Stundenplangestaltung für die Fachräume in jedem Jahr ein Kunstwerk, so Iris Poschenrieder.
Lehrpläne/Inhalte: Jörg Gleisenberg, Beisitzer im Elternbeirat der Hauptschule Lindenberg, spricht von "übervollen Lehrplänen", die nicht wirtschafts- und realitätsnah seien. Auch fehlen seiner Meinung nach die Freiräume. Er schlägt vor, die Schulen sollten enger mit Unternehmen und Eltern zusammenarbeiten. Iris Poschenrieder von der Grundschule Lindenberg sieht die musischen Fächer wie auch Textilarbeit, Hauswirtschaft und Ernährung zu wenig wertgeschätzt.
Stellung/Bezahlung der Lehrer: Nach Meinung von Gerhard Hoffmann, Uli Mayer und Beate Rohrmüller von der Hauptschule Lindenberg sollten Volksschullehrer nach dem Prinzip bezahlt werden: "Je schwieriger die Schüler, desto höher das Gehalt." Aber auch Lehrer an Gymnasien fühlen sich nicht leistungsgerecht entlohnt. Damit begründet Direktor Hermann Endres vom Gymnasium Lindenberg den Lehrermangel: "Gerade die Naturwissenschaften und Mathematik zeigen, dass die Bezahlung nicht mehr marktgerecht ist, wenn erstklassige Kräfte für die Schule gewonnen werden sollen."
Freies Arbeiten: Schulgesetze und Bürokratie sind nach Meinung von Martina Herr, Elternbeiratsvorsitzende aus Opfenbach, ein Hindernis für neue Ideen und Ziele. Aus Sicht des Wohmbrechtser Schulleiters Thomas Riebelmann fehlen außerdem die Lehrerstunden, die in Aktivitäten außerhalb des Unterrichts investiert werden müssten, zum Beispiel in Arbeitsgemeinschaften.
Förderung: In Augen von Grundschullehrerin Beate Birk fehlen Fördermaßnahmen für schwache wie auch für hochbegabte Kinder.
Soziale Probleme: Mit der Aufgabe der Integration von Migranten fühlen sich vor allem Pädagogen an Grund- und Hauptschulen allein gelassen. Angelika Eller-Wiedemann betont, die Gesellschaft müsste dies als ihre Aufgabe begreifen.
Ihre Kollegin Beate Birk ist überzeugt, dass die Sozialarbeit an allen Schulen ausgebaut werden müsste.
Ausbildung der Lehrer: Hierzu regt Elternsprecher Gleisenberg an, Lehrer sollten vor ihrer Beschäftigung ein längeres Praktikum in der freien Wirtschaft absolvieren. Angelika Eller-Wiedemann vermisst ein Gesamtkonzept zur Aus-, Fort- und Weiterbildung bei den pädagogischen Berufen.