Bregenz | Von Ingrid Grohe: Was bedeutet für Sie ein Jahr, Herr Pountney?

2. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
ingrid grohe

Serie zum Jahreswechsel - Der Intendant der Bregenzer Festspiele erdet sich bei der Gartenarbeit

Das Jahr des David Pountney hat einen ganz eigenen Rhythmus: Über zehn Monate steigern sich in seiner Welt Aktivität, Termine und Zahl der Mitarbeiter hin zum sommerlichen, hektischen Höhepunkt. Dieser dauert knapp zwei Monate und endet abrupt. Dann geht alles wieder von vorne los. David Pountney ist Intendant der Bregenzer Festspiele. Als Regisseur lebt er in gewisser Weise immer auch in mehreren Parallelzeiten zum Jetzt. "Es gibt viele verschiedene Jahre für mich", sagt er zur Bedeutung eines Jahres als Zeitabschnitt. Momentan befinde er sich unter anderem im Jahr 2012.

Die großen Aufführungen der Bregenzer Festspiele haben eine lange Vorlaufzeit. Für das international bekannte "Spiel auf dem See" werden Oper, Regisseur und Bühnenbildner frühzeitig bestimmt, die Solisten und Solistinnen zwei bis drei Jahre vor der Premiere verpflichtet.

Pountney denkt deshalb immer in die Zukunft, und das nicht nur für Bregenz. Der Brite ist als Regisseur weltweit gefragt. Er inszeniert im nächsten Jahr Opern in bedeutenden Häusern in Houston (USA), Bologna (Italien), Tel Aviv (Israel), Köln, Wien, Zürich und Leeds (England). Etwa 50 Prozent seines Jahres, so schätzt er, verbringt er am Bodensee. "Aber ich arbeite jeden Tag für Bregenz, auch wenn ich in Houston bin".

Der Regisseur, der weltweit unterwegs ist, empfindet diese Lebensweise zuweilen als unnatürlich. "Theater hat nicht viel mit Natur zu tun", stellt er fest. Die andere Seite des David Pountney sucht die Erdung in der Natur. "Ich liebe die Jahreszeiten" ist das zweite Statement, das ihm zum Thema "Jahr" einfällt. Er sei ein enthusiastischer Gärtner, sagt er und erzählt von der "unglaublichen Menge von Blättern", die die alten Bäume bei seinem Anwesen im Burgund (südlich von Dijon, Frankreich) abwerfen und die er im Spätherbst für den Kompost sammelt.

Auch beim Kochen, einer weiteren Leidenschaft Pountneys, lässt sich der Regisseur gerne von den Jahreszeiten leiten. Spargel etwa setzt er seiner Frau, der deutschen Opernregisseurin Nicola Raab, nur im Mai und Juni vor.

Zurück zum Festspieljahr, das nur zwei Jahreszeiten kennt. Das komplette Programm steht jeweils über ein Jahr vor der Eröffnung, das letzte Detail ist zehn Monate vor der Premiere, im Oktober, durchgeplant. Ab diesem Zeitpunkt steigt der Energie- und Aktivitätslevel im Festspielhaus Bregenz kontinuierlich an, erst ganz langsam, dann immer schneller. "Das Gebäude füllt sich im Frühjahr mit einer Lawine von Menschen.

Aus unserem kompakten Team von Mitarbeitern wird eine Mannschaft von über 1600 Leuten", beschreibt Pountney den Umtrieb im Haus während der Festspiele: Bühnenarbeiter, Hospitanten, Helfer und Helferinnen für Öffentlichkeitsarbeit, Requisite und Kartenverkauf, Künstler, Komparsen und viele mehr ergänzen dann die Kerntruppe.

Die vierwöchige Saison selbst genießt der Intendant in vollen Zügen: "Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Festspielgeher", beschreibt er sich selbst. "Ich genieße den Luxus, nach Möglichkeit jede Inszenierung anzuschauen."

Das Umschalten nach dieser intensiven Zeit fällt dem 61-Jährigen leicht. "Darin bin ich gut. Ich fahr dann einfach weg."