Memmingen (ver). Eine Hand voll Neugieriger ist ausgezogen, einen Blick hinter die bunten Lichter und Kulissen des Jahrmarkts zu werfen. Sie sind unterwegs, um wichtige Fragen zu klären: Wie kommt das Knacken in die Glasur der Schokobananen? Wie hoch ist das Riesenrad? Und: Was machen eigentlich die Kinder der Schausteller während der Rummelzeit? Die Führung, die Marktreferent Rolf Spitz anbietet, ist eine Premiere in der rund 500-jährigen Geschichte des Jahrmarkts. Angesichts wummernder Bässe und kreischender Menschen rüstet Spitz alle Teilnehmer mit einem Audiosystem aus: Empfänger ans Ohr montiert und los geht's. Zwischen Ofen und Theke drängt sich die Gruppe in den Imbiss-Stand von Andreas Brenner, der die 'einzige reisende Baguette-Bäckerei in Deutschland' betreibt. Er räumt unter anderem mit einem weit verbreiteten Missverständnis auf: 'Ob es ein Baguette ist, hat nichts mit der Länge zu tun. Es kommt darauf an, dass ein spezielles Mehl verwendet wird.'Nach einer Kostprobe steuert die Gruppe auf 'Future World' und Besitzer Michael Kollmann zu. 'Die rund eine Million Euro teure Anlage wurde erst 2006 gebaut', sagt der Besitzer. Dann folgt Dunkelheit. Vorsichtig wagen sich seine Zuhörer von einer wackelnden Gitter-Tretfläche zur nächsten. Darunter leuchtet giftgrüne Flüssigkeit. 'Das ist eine Besonderheit: Fluoreszierendes Wasser', betont Kollmann. Die Gruppe stoppt in einer Art Aufzug. 'Das ist einer der größten Bewegungssimulatoren, der auf Reisen geht. Er ist auf maximal 60 Personen ausgelegt und funktioniert mit Luftkissen, die ihn bewegen.' Was die so können, erfahren die Gäste sogleich: Das Licht geht aus, orange Warnbeleuchtung springt an, unter den Füßen ist eine Erschütterung zu spüren. Immer wieder ohrenbetäubendes metallisches Krachen, der Boden ruckelt und bebt.'Das funktioniert alles über Computersteuerung', erklärt Kollmann, als draußen alle wieder auf sicherem Boden stehen: 'Das ist der aufwendigste Teil des Ganzen und sehr empfindlich.' Gibt es eine Störung, erklinge ein Warnsignal. 'Dann kommt Weihnachtsmusik und wir wissen: Aha, es läuft was schief.'Nächste Station ist 'Top Spin'.
Inhaber Rudolf Bausch aus München führt die Gruppe auf die Rückseite. 'Die Anlage braucht 400 Ampere für den Antrieb und 125 für die Beleuchtung', erzählt er. Um 'Top Spin' zu stabilisieren, befinden sich in den beiden seitlichen Türmen jeweils 26 Kubikmeter Wasser. Bauschs Familie ist seit 1886 im Schaustellergewerbe: 'Mein Großvater war Bäcker. An einem Marktsonntag hat einer ein Karussell vor seinem Laden aufgestellt. Und der hat mehr Geschäft gemacht als er mit Brotbacken. Das war der Auslöser.'Auch bei Familie Agtsch liegt die Schaustellerei im Blut. 'Wir sind spezialisiert auf Fahrgeschäfte', so Alexander Agtsch, Besitzer des 'Hupferl': 'Wir können direkt auf die Fahrgäste eingehen.' Im Steuerhäuschen regle er manuell, wie schnell die Anlage fährt, ob sie hüpft oder sich langsam anhebt. Gerade steuert seine Frau. Neben ihr steht ihr älterer Sohn. Hinter ihr streckt der Jüngste seinen Lockenkopf über das Laufstall-Gitter. Die Kinder seien stets mit dabei und besuchten jeweils die Schule vor Ort. 'Ich habe 110 verschiedene Schulen besucht', erzählt Agtsch.'Candy'-Besitzer Willi Schneller zeigt einen Kühl-Laster, in dem kistenweise Ananas und Bananen stehen. 'Die Früchte lagern über Nacht bei acht Grad.' Nur so gelinge ein schöner Überzug. Die 38 Grad warme Schokolade werde zudem mit Kakaobutter versetzt. 'So erreichen wir das besondere Knacken der Schokolade.' Auch hier gibt's eine Kostprobe. Zuletzt geht's zum Riesenrad, das den Führungsteilnehmern einen Blick über den Jahrmarkt aus 50 Metern Höhe ermöglicht. i Heute um 17 Uhr findet noch einmal eine Führung über den Jahrmarkt statt. Treffpunkt ist das alte evangelische Gemeindehaus in der Pfaffengasse.