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Artikel: Wachsende Kluft zwischen Wählern und Politikern

21. Oktober 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Sonntagsgespräch Jugendliche, Forscher und Abgeordneter im Dialog über sinkende Wahlbeteiligung

Marktoberdorf | th | "Dieses Sonntagsgespräch ist ein Mosaikstein in unserem Parteiensystem", lobte Dr. Paul Wengert das jüngste Marktoberdorfer Sonntagsgespräch. Organisatorin Jutta Jandl vom SPD-Ortsverein nannte in ihrer Begrüßungs die Wählerverluste der großen, den Zulauf zu kleineren Parteien und die steigende Zahl der Nicht-Wähler als Hintergründe zu der Diskussion zum Thema "Krise der Parteiendemokratie?"

Diesmal hatte der SPD-Ortsverein dazu drei Gesprächspartner aufs Podium geholt:

Sebastian Ottinger, Schüler des Gymnasiums Marktoberdorf, Mitglied des Arbeitskreises Politik sowie Mitglied der Grünen, repräsentierte die (Erst-)Wähler.

Dr. Michael Weigl vom Centrum für angewandte Politikforschung München stand für die Politikwissenschaft.

Die praktische Politik vertrat in der Diskussion Dr. Paul Wengert, SPD-Landtagsabgeordneter und ehemaliger Bürgermeister von Füssen und Augsburg.

Ottinger sah gerade in einer vielfältigen Parteienlandschaft die Funktionsfähigkeit der Demokratie bestätigt. Für die größte Wählergruppe, die Nicht-Wähler, machte Politikwissenschaftler Weigl die immer größer werdende Kluft zwischen Bürgern und Regierenden verantwortlich. Die Bürger hätten immer höhere Erwartungen an den Staat, jedoch ließen sie den Staat in seinem Handeln alleine. Der Bürger sollte aufstehen, damit dieser Zustand nicht längerfristig zu einer Gefahr für die Demokratie werde.

Politiker Wengert kritisierte die Verwischung der Konturen einer jeden Partei und fehlende Leitideen in den Parteiprogrammen. Er bewertete den Trend zur Mitte als Problem für die Parteienlandschaft: Die Mehrheit der Bevölkerung sei in der Mitte auszuschöpfen.

Warum jedoch sollten die Parteien Kritik von der Öffentlichkeit meiden und sich in die Mitte drängen lassen?

Weigl verwies auf die Möglichkeit einer Emotionalisierung der Politik. "Hätte unser Land ein polares Problem, würde das Wahlverhalten so wie im Kalten Krieg ideologisiert. Der Bürger geht eher zur Wahl, wenn er sich dadurch gegen ein gravierendes Problem oder für eine konkrete Anregung aussprechen kann", so Weigl. Ottinger sah die heute zersplitterten Milieus als Grund dafür, dass die Volksparteien Stimmen einbüßen. Er meinte, eine Partei müsse den Grundnenner einiger solcher Milieus ansprechen, um wieder Stimmen gewinnen zu können.

In der regen Diskussion, die sich an das Podiumsgespräch anschloss, wurde deutlich, dass den rund 45 Besuchern die schwindende Wahlbeteiligung Sorgen bereitet. Weil mehrere Jugendliche aus dem Arbeitskreis Politik- und Zeitgeschehen des Gymnasiums die Diskussion verfolgten, ging es viel um Möglichkeiten, wie man junge Menschen für Politik interessiert. Die Schüler bemängelten, dass sie der Lehrplan kaum an die Politik heranführe.

Einladung in den Landtag

Die Jugendlichen fühlten sich von den "Profis" ernst genommen und Weigl fand es interessant, anhand der gestellten Fragen die Stimmung der Menschen einzufangen. Auch Jandl zeigte sich zufrieden mit dem Gespräch. Als Dank für die Beteiligung des Arbeitskreises Politik- und Zeitgeschehen lud Wengert die politisch Interessierten zu einer Fahrt in den Landtag ein.