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Vor allem Ausländer

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    stellten Munition her Die Dynamit-AG beschäftigte rund 800 Fremdarbeiter Kaufbeuren (kpm). Dort, wo heute Neugablonz ist, stand während des Zweiten Weltkriegs eine Schießpulver- und Munitionsfertigung. Sie hieß 'Fabrik Kaufbeuren' und war eine Tochter der Dynamit-AG. Über 1000 Arbeiter arbeiteten dort für die Rüstungsmaschinerie der Nationalsozialisten. Etwa zwei Drittel von ihnen kamen nicht aus Deutschland, sondern waren Ausländer, sogenannte Fremdarbeiter. Schließlich war der Markt mit deutschen Arbeitern leegefegt. Die Beschäftigten wohnten im Lager Riederloh, quasi vor den Toren der Fabrik. Mehr oder weniger freiwillig waren sie zu diesem Einsatz gekommen. Gegen Ende des Krieges allerdings wurde daraus für sie ­ einschließlich der Deutschen ­ Zwangsarbeit.

    Der Neugablonzer Hans-Joachim Hübner hat in seinem Buch 'Die Fabrik Kaufbeuren der Dynamit-AG' (erschienen bei Dannheimer, Kempten) sehr viele Fakten zusammengetragen. Demnach waren im Jahr 1939 Bauarbeiter angerückt, um die bunkerähnlichen, gut getarnten Fabrikgebäude zu errichten. Erst 1943 allerdings wurde die Arbeit in der Fabrik aufgenommen. Rund 650 Beschäftigte wurden damals gezählt. Die Zahl wuchs bis zum Kriegsende auf 1220.

    'Ostarbeiter' standen unten

    'Über das Leben der Fremdarbeiter gibt es keine detaillierten Überlieferungen', stellt Hübner fest. Vermutlich erging es ihnen wie den anderen Fremdarbeitern im Nazi-Reich. Die relativ besten Lebensverhältnisse hatten die sogenannten Westarbeiter, also Franzosen, Belgier und Niederländer.

    Wesentlich schlechter wurden die osteurpäischen Arbeiter behandelt. Die Polen waren schon erheblich benachteiligt. Sie bekamen weniger und schlechter zu essen, waren mieser untergebracht und in ihren Freiheiten eingeschränkter. Unter ihnen standen die Russen und Ukrainer, die 'Ostarbeiter'. 'Sie hatten unter Hitlers Vernichtungskampf gegen die `slawischen Untermenschen\' sehr zu leiden', lautet Hübners Fazit.

    Bei den Ausländerinnen in der Fabrik Kaufbeuren stellten die Ostarbeiterinnen den größten Anteil, bei den Männern stammte die größte Gruppe aus Polen. Auch viele italienische Männer, die nach dem Abfall Italiens besonders unter ihren Bewachern zu leiden hatten, arbeiteten in Kaufbeuren. Der jeweilige Anteil an Nationalitäten lässt sich nicht mehr exakt feststellen. Kriegsgefangene wurden offenbar nicht eingesetzt.

    Brutale Methoden bei Anwerbung

    Die im Lager Riederloh untergebrachten Fremdarbeiter durften sich außerhalb der Arbeitszeiten frei bewegen. Allerdings hatten sie im Sommer bis 22 Uhr und im Winter bis 21 Uhr in den Baracken zu sein. Zu Beginn der Produktion im Jahre 1943 erhielten nicht nur die Deutschen und die Westarbeiter Urlaub, sondern auch Polen, die sich durch gute Leistungen auszeichneten. 1944 gab es laut Hübner für niemanden mehr Urlaub, auch nicht für Deutsche. Stattdessen wurden die Arbeitsnormen raufgesetzt. Das lässt den Schluss zu: Aus Fremdarbeitern waren spätestens jetzt Zwangsarbeiter geworden. Zumal der Verdienst, vor allem der Ostarbeiter, nur noch symbolischen Wert hatte.

    Die Fremdarbeiter waren in ihren Heimatländern teilweise mit brutalen Methoden 'angeworben' und nach Deutschland deportiert worden. Der Werkschutz hielt sie permanent unter Kontrolle. Er überwachte, schüchterte ein, verhaftete und misshandelte.

    Aber es wurden auch Feste in Riederloh gefeiert. 'Die Lagerleitung bemühte sich, die Fremdarbeiter bei Laune zu halten', so Hübner. Offenbar waren die Reppressalien in der Fabrik Kaufbeuren nicht so groß wie in vergleichbaren Standorten. Nach dem Einmarsch der Amerikaner jedenfalls ließen sie sich nicht zu größeren Racheakten gegen Vorsetzte und Bewacher hinreißen.

    Auch die Dynamit-Fremdarbeiter wurden bis heute höchstens mit kleinen Summen entschädigt. Die Feldmühle Nobel AG als eine frühere Nachfolgerin der Dynamit-AG hat laut einer Zeitungsmeldung 1986 freiwillig fünf Millionen Mark an ehemalige Zwangsarbeiter gezahlt. Die heutige Dynamit Nobel AG in Troisdorf sei keine Rechtsnachfolgerin der Dynamit-AG, sagt Presseprecher Ulrich Hopmann auf Anfrage. 'Wir haben somit auch keine Verpflichtung.' Allerdings überlege das Unternehmen, aus Solidaritätsgründen dem Entschädigungsfond der deutschen Wirtschaft beizutreten. Zwangsarbeiter in Kaufbeuren und Umgebung (2)

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