Von Klaus Schmidt |Bad HindelangManch alte Sage bietet Stoff für packendes Theater. Nur ist die Kunst nicht zu unterschätzen, aus spärlichen Überlieferungen ein überzeugendes Bühnenspiel zu formen, das den Zuschauer zwei Stunden gut unterhält. Außerordentlich erscheint daher die Leistung all jener, denen gerade diese Kunst in Bad Hindelang mit dem Volksmusical "Hurlahutsch" gelungen ist. Vor allem dann, wenn man bedenkt, dass die rund 130 Mitwirkenden fast alle Laien sind.
Keineswegs laienhaft wirkt die Konzeption. Autorin und Regisseurin Cornelia Beßler, künstlerische Leiterin des Hindelanger Bauerntheaters, hat die Sage von den "Wilden Fräulein" von Hinterstein mit weiteren Legenden und fiktiven Handlungssträngen zu einem wendungsreichen Bühnengeschehen voll dramaturgischer Kunstgriffe und fantasievoller Details aufgewertet. Die rätselhaften heilkundigen Wesen vom Wildfräuleinstein etwa, die den Dorfbewohnern hilfreich zur Seite stehen, solange niemand ihren wirklichen Namen ausspricht. Sie angeln sich zu ihrem Vergnügen Hirten und Holzfäller, junge Burschen, die nicht nur das Jodeln und Schuhplatteln gut beherrschen.
In einer geschickten Abfolge von bewegten Ensembleszenen und auf wenige Figuren konzentrierten Einstellungen kristallisiert sich so allmählich der Grundkonflikt des Stückes zwischen Wilderer Jakob und dem "Wilden Fräulein" Hurlahutsch heraus: Zerstörung oder Bewahrung gewachsener Werte? Raubbau an der Umwelt oder Respekt vor dem Leben und der Natur?
Cornelia Beßlers Inszenierung setzt dabei auf klare, schlichte Bilder, die eine beredte Sprache sprechen, aber niemals aufdringlich wirken. Immer wieder setzt die 54-Jährige, die schon bei Produktionen der Filmregisseure Christian Wagner und Leo Hiemer mitgewirkt hat, fast filmische Mittel ein wie Überblenden, Wiederholen, Kontrastieren. So entsteht modernes Volkstheater im besten Sinne.
Die 34-jährige Komponistin und Produzentin Sanni Risch aus Andechs unterstützt diesen Ansatz. Ihre Musik beschwört zum einen Archaisches, wenn die "Wilden Fräulein" mit urtümlichem Schlagwerk ihren Mond-Ritus feiern, zum anderen Gefälliges, wenn die Hintersteiner ihr schlagerartiges Erntedanklied anstimmen. Kenntnisreich wird aus dem Fundus der Musikgeschichte geschöpft: Volksmusik-Elemente finden ebenso Beachtung wie das arienhafte Solo - wobei die Melodien immer so einfach strukturiert sind, dass sie Ohrwurmqualität entwickeln können.
Großartiger Auftritt eines Buben
Wie die Regie bietet auch die Musik den Talenten der Darsteller Raum: So scheinen alle mit großem Einsatz bei der Sache zu sein und erwecken die einzelnen Figuren zu überzeugendem Bühnenleben, von den Mädchen und Buben, die als Elfen und Gnome den Aufzug der "Wilden Fräulein" begleiten, bis zu den Hauptdarstellern Katharina Beßler (Hurlahutsch), Rudolf Schweiger (Wilderer Jakob) und Claudia Komeyer (Des Wilderers Frau).
Einen Sonderapplaus verdient sich der zehnjährige Benedikt Berktold in der Rolle des jungen Georg, der nicht nur - wie alle - in schönstem Hintersteiner Dialekt sprechen darf, sondern auch Harmonika spielt und das Schlusslied singt.
Solch außerordentliche Leistungen, präsentiert in einer aufwendigen Ausstattung und einem prallen, sogar den Zuschauerraum miteinbeziehenden Bühnenspiel sorgen bei der Uraufführung für einen riesigen Publikumserfolg.
Weitere Vorstellungen: 17., 18., 19. Juli sowie 15., 16. und 17. August, jeweils um 20 Uhr im Kurhaus Bad Hindelang. Karten: im Kurhaus, 08324/892-70. Karten-Hotline: (0700) 70102030.