Von Stefanie Heckel |KemptenEs ist die Frage nach dem Warum, die sich sofort aufdrängt. Warum bloß filmt jemand seine Fahrt mit dem Stadtbus - und stellt diese drei Filmminuten voller Kemptener Asphaltstraßen ins Internet? Weil zwischen Kurven, Kreuzungen und Stoppschildern etwas versteckt liegt - etwas, was man vielleicht die Schönheit des Alltags nennen könnte. Das jedenfalls findet Andrea Brychcy. Die 29-jährige Kemptenerin ist Hobbyfilmerin und eine von vielen Tausend, die ihre Filme auf Portalen wie "Youtube" oder "Myvideo" ins weltweite Datennetz stellen. Allein bei "Youtube" sind rund 1000 Filme zum Stichwort "Kempten" zu finden.
Fast zwei Dutzend davon stammen von Andrea, es geht ums Busfahren, um Straßenzüge und andere Alltagserlebnisse. "Ich finde es einfach schön, die Dinge um mich herum zu filmen", erzählt die 29-Jährige. Und nicht nur das: Ihre Filme und die schönen Erlebnisse will sie nicht für sich behalten, sondern mit anderen teilen - das ist für sie die Faszination Videoportal.
Ohne Kamera nicht aus dem Haus
Eine Faszination, die sich durch ihr ganzes Leben zieht. "Ohne meine Videokamera geh ich eigentlich gar nicht mehr aus dem Haus", sagt die 29-Jährige, die als Verkäuferin in einem Getränkemarkt arbeitet.
Eine Leidenschaft, die aus Leid entstanden ist: Um sich nach einer gescheiterten Beziehung abzulenken, begann die Kemptenerin zu filmen. Und, wie sieht das aus, wenn Andrea Material für ihren nächsten Internetstreifen sammelt? Dann läuft sie durch die Stadt, in der Hand die Kamera, auf dem Kopf den Kopfhörer ihres MP3-Players. Denn obwohl Andrea für Publikum auf der ganzen Welt filmt, blendet sie den Lärm um sich herum lieber aus, vergisst den Krach der Autos oder das Gespräch der Menschen, die mit ihr an der Ampel warten. Erst die Musik, findet sie, macht digitale Kunst aus Film-Schnipseln.

Im Video
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Und welche Motive reizen die junge Frau besonders? "Tunnel sind richtig spannend", meint sie und lächelt. "Weil es erst dunkel ist und dann das Licht auftaucht." Beim Bahnfahren filmt die Kemptenerin gerne - was ihr abseits des Internets auch im realen Leben spannende Begegnungen beschert. Wie etwa neulich, als ein freundlicher Schaffner sie im Zug nach vorne zum Lokführer brachte, damit sie besser für ihr Internetvideo drehen konnte.
Sind die Sequenzen im Kasten, geht die Arbeit erst richtig los - daheim schneidet Andrea am Computer die Szenen zusammen, macht sich über die Reihenfolge und vieles mehr Gedanken. Erst nach sechs- bis siebenmaligem Ansehen und Nachbessern ist dann die Zeit reif fürs weltweite Online-Publikum.
Und was sind die nächsten Projekte? Da muss die 29-Jährige nicht lange überlegen: Unbedingt will sie mal eine Fahrt mit U- oder S-Bahn filmen, wahrscheinlich in München oder Berlin. Davor allerdings gilt es ein anderes Projekt anzupacken, dem sie den Titel "Romania Hollywood" gegeben hat: In dieser Woche reist Andrea durch Rumänien - am Ende sollen vier Teile Internet-Film herauskommen.