Von Peter Schwarz |Oberstdorf/KemptenRichter Dr. Thomas Dill erinnert sich gut an die 80er-Jahre, als sich der damalige Oberstdorfer Kurdirektor und dessen Stellvertreter vorm Arbeitsgericht gegen einen Rausschmiss im Spitzenferienort wehrten. Der Streit war ein lokaler Skandal; er ist passé. Gegenwart ist, dass erneut ein Ex-Chef des Tourismus-Amts prozessiert. Es handelt sich um Urs Kamber, nur ein halbes Jahr lang Tourismusdirektor, wegen vermeintlicher administrativer Fehler laut einem abendlichen Ratsbeschluss für untragbar erklärt und am Morgen drauf mit einem Aufhebungsvertrag überrumpelt, wie Kamber behauptet (wir berichteten).
Der 52 Jahre alte Schweizer Tourismus- und Marketing-Fachmann, der sich nach eigenen Angaben als freiberuflicher Unternehmensberater schwer tut, will in Oberstdorf wiedereingestellt werden oder sein Jahresgehalt über 135000 Euro für die Vertragslaufzeit von vier Jahren beziehen. Der Vorsitzende Richter der 4. Kammer, Dill, machte jedoch gleich von Beginn an klar, dass dies nicht realistisch sei.
Aber bei der Wahrheitssuche, ob Kamber an jenem 28. Januar 2007 bei einem kurzen Gespräch im Bürgermeisterzimmer wirklich derart unter Druck gesetzt wurde, dass er notgedrungen eines von zwei vorgelegten Papieren unterschrieb (das andere war die Kündigung), drang Dill nicht in letzte Details vor.
Der bei der Kommunalwahl heuer nicht mehr ins Rathaus gewählte Bürgermeister Thomas Müller und sein Hauptamtsleiter Thomas Kretschmer, die dem führenden Mitarbeiter den Aufhebungsvertrag vorgelegt hatten, machten als Zeugen vor Gericht jedenfalls andere Angaben als Kamber. Teilweise konnten sie sich auch nicht mehr erinnern. Beispielsweise daran, wieso die Belegschaft unmittelbar nach der unerfreulichen Runde Kambers mit dem Dienstherrn parat stand, um die Nachricht verkündet zu bekommen. In Abrede stellten die Zeugen, dass sie dem Tourismus-Chef mit einem sofortigen Rausschmiss gedroht hätten, falls der nicht unterschreibt.
Müller entschuldigte sich aber vor Gericht wegen abfälliger Äußerungen, die er Wochen später bei einer Wirte-Versammlung über den Tourismus-Direktor gemacht hatte. Eigentlich war gegenseitig vereinbart worden, gegenüber der Öffentlichkeit Stillschweigen über die Gründe der Trennung zu bewahren. "Das war eine Entgleisung", gestand der Ex-Bürgermeister ein. Immerhin erkennt der Arbeitsrichter in den herausposaunten Wertungen mögliche Schadenersatzansprüche von Kamber.

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Richter stichelt: Ein Fall für die Steuerfahndung?
Aber in welcher Höhe fallen die aus? Schon eine Bemessungsgrundlage festzulegen, fällt schwer. Bei der Konstruktion des "Dienstvertrags" - ein richtiger Arbeitsvertrag hat nicht bestanden - waren vom vereinbarten fixen Monatsgehalt Kambers über 7750 Euro mehr als die Hälfte als steuerfreie Spesen und Honorare ausgewiesen worden. Ein Fall für die Steuerfahndung?, wie der um einen Vergleich beider Parten bemühte Richter stichelte. Kämmerer Martin Schmalholz, Herr über die ohnehin angeschlagenen Finanzen, will von der Vereinbarung jedenfalls nichts gewusst haben, wie er als Zeuge bekundete.
Das Verfahren wird fortgesetzt.