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Vom blutigen Fell zur Festtagskleidung

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Vom blutigen Fell zur Festtagskleidung

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    Von Lisa Gschwender Oberallgäu 'Ich bin einer der strengsten Meister gewesen', sagt der Gerber Otto Eberhart. Wenn seine Lehrlinge nichts lernen wollten, konnten sie ihre Sachen packen und den Betrieb verlassen. Diese Konsequenz mag ein Grund dafür sein, dass es 'Leder Eberhart' seit 100 Jahren in Bad Hindelang gibt und dass sich der Betrieb als eine der letzten Gerbereien im Allgäu halten konnte. Und eines ist heute noch so wie früher: Wer hier eine Lederhose bestellt, trägt später ein Stück, das in jedem Arbeitsschritt in Hindelang hergestellt wurde - vom blutigen Fell zur Festtagskleidung. In seiner Gerberei hat Otto Eberhart die Hosen an. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er ist nicht nur Chef des Leder verarbeitenden Betriebes, er geht auch (so gut wie) nie ohne seine Lederhose außer Haus. Ob bei der Arbeit, auf Reisen im In- und Ausland oder in der Freizeit: Eberhart trägt Kleidung aus seinem liebsten Material. 'Ich bin kein Massenmensch', sagt der Gerber, während er selbstbewusst auf dem Betriebsgelände umher blickt, auf dem die Maschinen öfter als früher still stehen: 'Ich gehe meinen eigenen Weg.' Und der basiert auf Tradition. Schon vor 100 Jahren gründete Eberharts Großvater die Gerberei in Bad Hindelang. Der Enkel des Firmengründers ist mittlerweile selbst 67 und seit 49 Jahren im Betrieb, über 40 davon als Meister. Wenn Otto Eberhart in seinem Lager inmitten von Hirsch-, Reh- und Elchhäuten steht und über Qualität und Herkunft des Leders referiert, bekommt sein Zuhörer einen Eindruck vom Gerber-Beruf. Nicht nur die 'schmutzige' Arbeit mit dem Gerbmittel Fischöl, mit Blut- und Kotverschmierten Fellen und übel riechenden Chemikalien gehört dazu. Otto Eberhart hat sich auch Fertigkeiten aus dem Schneiderhandwerk angeeignet und etwas vom Fachwissen eines Jägers: Am Leder erkennt er, welches Tier von Zecken und Dasselfliegen geplagt wurde, ob der Jäger oder Metzger beim Abziehen gut gearbeitet hat und ob das Wild gesund war. Bis ein Fell fertig für die Näherei ist, hatten es Otto Eberhart und sein Mitarbeiter etwa 100 Mal in der Hand. Sie haben es in die Waschtrommeln gepackt, wo die Teile vom Salz, das als Konservierungsmittel gebraucht wird, gereinigt wurden. Sie haben das Kalk- und Schwefelbad zubereitet, in dem sich die Haare lösen, haben die Felle gespült und entfleischt. Sie haben die Häute gebeizt, damit die Felle weich bleiben. Dann kam die eigentliche Gerbung: vier- bis fünf Mal mit Fischöl kneten und trocknen, dann jedes Stück von Hand 'schleifen', damit die Unebenheiten aus dem reinen Velours verschwinden.

    Hauptsache gesund Rund ein Jahr dauert es, bis ein Fell - noch ungefärbt - in Otto Eberharts Lager liegt, und der Gerber mit Kennerblick die passenden Stücke für die Wünsche seiner Kunden aussucht. Die meisten wollen einwandfreie Qualität, ohne Macken und Kratzer. Eberhart selbst 'ist es egal, ob das Leder zwei Kratzer hat. Hauptsache das Tier war gesund'. Genäht wird bei 'Leder Eberhart' auch heute noch, aber nicht mehr so viel wie früher. Dass immer weniger Menschen 'Wert auf höchste Qualität', sondern mehr auf Billig-Ware legen, kann Otto Eberhart nicht nachvollziehen. Aber obwohl es schwierig ist und sein Sohn als Nachfolger für den Betrieb bei der Arbeit tödlich verunglückte, Otto Eberhart will weitermachen 'solange es geht'.

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