Von Barbara Hell |Weitnau-RechtisVielerorts gibt es Bemühungen, Mehr-Generationenhäuser "künstlich" zu schaffen. In Rechtis wird die Idee, dass Jung und Alt zusammenleben, schon längst gelebt. Vier Generationen leben in der Dorfstraße 3 unter einem Dach.
Den Jüngsten, dem neun Monate alten Linus und dem zweijährigen Silvan, ist zwar noch nicht bewusst, dass sie in einer heutzutage selten gewordenen Großfamilie leben. Aber dass sie jederzeit bei Oma und Opa, Uroma und Uropa willkommen sind, genießen sie sichtlich. Und auch die Älteren finden es großartig, wenn sie ständig vor Augen haben, "dass Leben im Haus ist und es weiter geht".
Geplant wars von Fritz und Senzi Klein nicht unbedingt, einmal mit Tochter, Enkel und den beiden Urenkeln zusammenzuleben. Doch Fritz Klein, heute 82 Jahre alt, hat in das Lebensmittelgeschäft seiner Schwiegereltern "eingeheiratet", so dass nach der Geburt der beiden Töchter schon einmal drei Generationen im Haus beieinander waren.
Der gelernte Schreiner erbte die Liebe des Schwiegervaters für den Wald und arbeitete bei der Post, um der Pflege des Holzes besser nachgehen zu können, Senzi Klein führte bis 1988 das Lebensmittelgeschäft.
Als Tochter Roswitha in Kempten die Kinderpflegeschule besuchte, lernte sie den Facharbeiter für Fahrzeugbau Ludwig Schwärzler kennen. Und weil "genug Platz" im Haus der Kleins war und Ludwig mit sieben Geschwistern bereits eine Großfamilie gewöhnt war, zog das Paar in der Dorfstraße 3 ein. Durch Ausbau der früheren Tenne gabs genug Raum für alle, auch für die beiden Söhne Markus und Patrick, die dann zur Welt kamen.

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"Noch keinen Tag bereut"
Heute selbst Familienvater schwärmt Patrick noch von seiner Kindheit, dem Frühstück am Sonntag bei Oma und Opa, dem Zopf, den Oma damals wie heute für ihn bäckt. Seine 37-jährige Ehefrau Christine, die etliche Jahre allein lebte, erinnert sich noch gut an ihre Skepsis beim Einzug in ein Haus mit Schwiegereltern, Oma und Opa. Doch die Krankenschwester hat ihre Entscheidung "noch keinen Tag bereut". Und wenn sie über Teilzeitarbeit nach den Babypausen nachdenkt, dann in der Gewissheit, dass ihre Söhne einmal keine Schlüsselkinder werden: "Immer wird jemand da sein, dem sie erzählen können, wies in der Schule war." Jede der vier Generationen hat freilich eine abgeschlossene Wohnung, und wenn man sich gegenseitig besuchen will, wird vorher ganz selbstverständlich angeklopft.
Auch kommt niemand auf die Idee, sich etwa in Erziehungsfragen oder Ehestreitigkeiten der anderen einzumischen: "Opa und Oma haben uns das vorgelebt, nur so klappt es", sind sich Patrick und Christine einig.
So wichtig der mögliche Rückzug ins Private ist, so sehr pflegt die Großfamilie aber auch das Zusammenleben. Gemeinsam wird am Sonntag Kaffee getrunken, die Männer, allen voran der 82-jährige Fritz Klein, kümmern sich um Wald und Holz, die Frauen backen zusammen. Der Heilige Abend wird bei Roswitha und Ludwig Schwärzler bei einem glanzvollen Essen begangen und auch zum Wählen geht die Großfamilie gemeinsam.
In politischen Fragen gibts zwischen den Generationen schon mal Diskussionen, aber "einen Disput haben wir kein einziges Mal gehabt", freut sich Fritz Klein. Die Großfamilie ist sich einig: Ohne Respekt und Toleranz können Mehr-Generationenhäuser nicht funktionieren, egal ob die Mitglieder verwandt sind oder nicht.