Von Reinhold Löchle Marktoberdorf/Ostallgäu - Mal mit, mal ohne Rucksack, der eine oder andere mit Wanderstock, hier und da mit Pilgerstab: Immer öfter trifft man in Marktoberdorf Wanderer an. Nicht der Typ Volksmarschfreund oder Tageswanderer. Sondern eher eine Mischung zwischen Teilzeit-Aussteiger und 'Kultour'-Freund in Wanderschuhen. Die Rede ist von Jakobuspilgern, Prälatenweg-Gehern und neuerdings den Martins-Freunden. Denn viele Wege führen nach und durch Marktoberdorf…Die Redewendung von den vielen Wegen, die nach Rom führen, trifft ein bisschen auch auf die Ostallgäuer Kreisstadt zu. Hier gibt es 'Ostallgäuer Wanderwege', eine Vielzahl anderer gut ausgeschilderter Routen, die 'Klassiker' Prälatenweg und Jakobusweg und den 'Neuling' Martinsweg. Beim Touristikverein Marktoberdorf zuckte man vor kurzem noch mit den Schultern, wenn die Rede auf den Martinsweg kam. Marktoberdorf soll, so wurde jüngst bekannt, ein Punkt auf dieser Route sein. Sie beginnt im ungarischen Szombathely, wo der heilige Martin geboren wurde, führt unter anderem über Kaufbeuren und Marktoberdorf und endet in Tours oder Candes in Frankreich. Der Weg scheint aber noch in den Kinderschuhen zu stecken, jedenfalls wurde in Marktoberdorf noch kein Martinswanderer erspäht. Auf eine lange Tradition können hingegen all diejenigen blicken, die den Prälatenweg 'machen'. Vielfach sind es Wanderer, deren Gepäck von Etappenziel zu Etappenziel von einem Landsberger Reiseveranstalter transportiert wird. Im Herbst 1984 wurde der Weg fertig gestellt, seit exakt 20 Jahren wird er touristisch vermarktet. In sechs Etappen führt die Route von Marktoberdorf bis Kochel am See. Während nach Ansicht von Christine Staudacher vom Touristikbüro im Rathaus und Erich Hiemer, Café-Besitzer und Vermieter, der Prälatenweg in den letzten Jahren immer weniger frequentiert wird, verzeichnet Hotelier Werner Sepp eine Zunahme der Prälaten-Wanderer. Allein in seinem Hotel hätten im vorigen Jahr 100 übernachtet. Auch von den Wanderern selbst ist er ganz angetan: Diese seien älter, kulturinteressiert und ruhig. Außerdem steuerten sie zur besseren Belegung der Unterkünfte an Wochenenden bei. Nach Einschätzung von Sepp ist der Prälatenweg-Freund meist besser betucht, die Jakobus-Pilger dagegen häufig 'sparig'. Letztere übernachten eher in Gasthäusern, Pensionen oder privat.
Der Touristikverein überlege sogar, kostenlose Übernachtungsquartiere bei Bauern zu vermitteln, berichtet Vorsitzender Wolfgang Hannig. Es dürfte mehrere Gründe geben, weshalb die Pilger beim Geldausgeben zögerlich sind: Zum sind's bis zum Ziel drei Monate und länger (daher wird dieser europäische Kulturweg meist auf mehrere Jahre verteilt gelaufen), zum andern sind es häufig junge oder aber ältere Einzelreisende, nicht selten auch Frauen, die sich auf in Richtung Santiago de Compostela in Spanien machen. Hannig ist der Jakobusweg-Beauftragte des Landkreises und trug zum Beispiel dazu bei, dass es in Marktoberdorf neben der offiziellen Route des so genannten Münchner Jakobsweges, an dem die Ostallgäuer Kreisstadt liegt, einen 'Schlenker' gibt. Während der Hauptweg über Geisenried und Oberthingau nach Kempten führt, um dann bei Wiggensbach auf den Bayrisch-schwäbischen-Jakobsweg zu terffen, führt die Extratour übers 'Kindle', da der Jakobsweg auch 'Orte der Kraft' berücksichtigen wolle, wie Hannig erläutert.. Derzeit werden im Raum Marktoberdorf die Jakobswegschilder von der gelben Muschel auf weißem Grund auf blaue Täfelchen umgestellt und so dem Münchner Weg angepasst. Auch sollen, so Hannig, bald Geschäfte, Lokale und Übernachtungshäuser besonders ausgeschildert werden, wenn sie den Jakobsweglern gegen Vorlage des Wanderpasses Vergünstigungen bieten. Er selbst hat als Inhaber eines Sportbekleidungsgeschäftes beobachtet, dass diese Urlauber durchaus auch in der Stadt einkaufen. Auch steige die Zahl der Wanderer, die in die Stadt kommen, von Jahr zu Jahr. Aber auch einige Einheimische sind schon so richtige Jakobsweg-Fans geworden. Dazu gehört Luitpold Kessler. Er wanderte bereits bis nach Santiago de Compostela. Heuer war er schon auf einem französischen Seiten-'Ast' des Pilgerwegs unterwegs. Die Pilger seien 'auf jeden Fall eine Bereicherung für die Stadt', sagt der Touristikvereinsvorsitzender Hannig, 'das sind oft Leute, die kämen sonst nie nach Marktoberdorf'. Er findet es 'ganz toll, dass Marktoberdorf an so einem alten Weg bis nach Spanien beteiligt ist'. Ihm schwebt vor, eine Art Eröffnungsfest zu machen für den Jakobsweg, an dem Marktoberdorf offiziell seit 2004 Station ist. Für ihn steht fest: 'Wir müssen ihn bekannter machen.' Das gilt in seinen Augen auch für den Prälatenweg, der 'von den Einheimischen oft wenig geschätzt wird.'Gleicher Meinung ist Bürgermeister Werner Himmer: Die Wege seien noch nicht richtig in den Köpfen von Gastronomen, Vermietern und Bürgern verankert. Er habe in den letzten Wochen den Eindruck gewonnen, dass immer mehr Wanderer in die Stadt kommen. Für ihn steht fest: 'Hier liegt durchaus noch touristisches Potential.'