Patientenstammtisch Heftige Kritik an Politikern und Medien">

Artikel: Viel Unmut über Gesundheitspolitik

2. August 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Patientenstammtisch Heftige Kritik an Politikern und Medien

Obergünzburg | db | Auf ein ungewöhnlich großes Interesse, das selbst die Veranstalter überraschte, stieß der Patientenstammtisch in Obergünzburg. Eingeladen hatten die Hausärzte aus dem Günztal, die auch die Fragen der Diskussionsteilnehmer beantworteten.

Im Mittelpunkt der Diskussionsbeiträge der über 90 Teilnehmer zur umstrittenen "Gesundheitsreform" stand die beabsichtigte und von der Bundesregierung bereits 2004 abgesegnete Einführung der elektronischen Patientenkarte (E-Card), mit der alle Krankheitsdaten der Patienten aus einem Zentralrechner abgerufen werden können. Kritik ernteten die Politiker, die sich in den Dienst derjenigen stellten, die das Gesundheitswesen nur als ein Feld zum Geldverdienen sehen und den Patienten dabei als rentabel oder unrentabel einstufen. Dass auch die Medien sich allem Anschein nach nicht richtig an das Thema herantrauten, war ein weiterer Punkt massiver Kritik.

"Wir müssen seit einiger Zeit erleben", eröffnete Dr. Norbert Sontheimer die Stammtischrunde, "dass wir unter dem Titel Kostendämpfung auf dreiste Art getäuscht werden." Die Politik habe jahrzehntelang die Kritik der Ärzte dazu nicht gehört, deshalb wendeten sie sich jetzt an die Öffentlichkeit.

Einmischung der Krankenkassen

Über die Behandlung der Patienten, so der Mediziner weiter, entscheide nicht mehr der Arzt, sondern die Krankenkasse je nach Kassenlage. Dr. Xaver Heberle fügte an, man könne wegen der stetig anwachsenden Bürokratie und der Einmischung der Krankenkassen immer weniger "Medizin machen", wie sie sich der Arzt vorstelle. "Gesundheitspolitik sollte für den Patienten gemacht werden und nicht für irgendwelche Verwaltungen und profitorientierte Interessengruppen."

Weil sich vieles in der Gesundheitspolitik zum Nachteil der Patienten entwickelt habe, wollten sie aufklären, dass dies nicht an den Ärzten liege, erklärte Dr. Mathias Weinert. Dr. Peter Seidel wies ebenfalls darauf hin, dass die Gesundheitsminister Ulla Schmidt und Horst Seehofer dem amerikanischen Kapital zugearbeitet hätten und dabei die Freiheit von Ärzten und Patienten massiv eingeschränkt hätten, statt tatsächlich das Gesundheitswesen zu reformieren. Einig war sich die Versammlung, dass der Staat zunehmend an die Daten seiner Bürger kommen will, damit Geschäfte damit gemacht werden könnten. Die neue Patientenkarte sei ein solches Mittel, daher wurde sie auch von allen Anwesenden abgelehnt. Eine ältere Dame appellierte an die Anwesenden, die Einführung der Gesundheitskarte zu verhindern.

"Wir müssen die Politiker, denen wir aus Dummheit schon seit Jahren zu Mehrheiten verhelfen, in ihre Schranken verweisen."

Auf die Frage, wie man die Kassen in ihre Schranken verweisen könne, antworteten die Ärzte, dass dies nur über politische Veränderungen gehe.

Der nächste Patientenstammtisch wird am 27. August im "Hirsch"-Saal stattfinden, den Auftakt bundesweiter Aktionen bildet ein Protestmarsch am 19. September in Berlin.