Allgäu/München/Berlin: Verunsicherte Versicherte

17. Januar 2009 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung

Gesundheitsfonds - Was sollen Kassenpatienten machen, wenn der Arzt bestimmte Leistungen nur noch privat abrechnen will?

"Die nächsten sechs Wochen ist kein Sprechstundentermin frei." "Sie sollten Ihre Krankenkasse wechseln". "Ultraschall geht nur noch auf private Rechnung": Solche Antworten haben in den ersten Tagen des Jahres auch im Allgäu etliche Kassenpatienten in Arztpraxen erhalten. "Ruhe bewahren", sagt dagegen eine Sprecherin des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit. Und sie fügt hinzu: "Der Streit um die Verteilung der Vergütung für ärztliche Leistungen darf nicht zu Lasten der Patienten gehen."

Was die Kassenpatienten derzeit arg verunsichert, resultiert weniger aus dem viel diskutierten Gesundheitsfonds, als vielmehr aus der gleichzeitig zum 1. Januar erfolgten Honorar-Umstellung für Ärzte. Insgesamt seien laut einer Information des Bundesgesundheitsministeriums elf Prozent oder rund drei Milliarden Euro mehr im Topf für ärztliche Leistungen als früher. Nur die Frage, wer daraus für was wie viel bekommt, ist höchst umstritten.

So befürchten vor allem die Fachärzte durch das neue und komplizierte Vergütungssystem (FDP: "organisatorischer Irrsinn") Umsatzeinbußen bis zu 40 Prozent. Dieser Tage rechnete der Orthopäde Dr.

Holger Stöhr aus Immenstadt (Oberallgäu) vor, dass seine Praxis pro Patient im Quartal nur 29,30 Euro erhält - egal ob der Patient nur einmal kommt oder ob eine mehrwöchige Behandlung samt Injektionen, Chirotherapie, Ultraschall und Gipsverbänden nötig ist. "Wenn ich so weiterarbeite wie bisher, arbeite ich mich in die Pleite", so Stöhr.

Druck wird weitergegeben

Den finanziellen Druck, den die Ärzte jetzt verspüren, gibt so mancher Doktor an die Patienten weiter. Gynäkologen im Raum Memmingen etwa haben angekündigt, bestimmte Leistungen - beispielsweise das Entfernen von Zysten - nur noch gegen Privatrechnung zu erbringen.

"Besonders mit den Fachärzten sind wir derzeit stark in Kontakt", sagt Joachim Mösle von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Kempten. Den Versicherten rät er, kühlen Kopf zu bewahren. Sie hätten Anspruch auf notwendige Behandlungen über die Krankenversichertenkarte. Helmut Brandl (Kempten), Regionalgeschäftsführer Südwest-Bayern der Barmer Ersatzkasse, warnt die Versicherten davor, irgendeine Leistung in der Praxis extra zu bezahlen. Vorher sollte der Patient Rücksprache mit seiner Kasse halten.

Ähnlich äußert sich Susanne Weckmann, stellvertretende Presse-Chefin der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern: "Die Versicherten sollen sich nicht unter Druck setzen lassen." Auch sie rät, wenn ein Patient bestimmte Leistungen nicht mehr vom Arzt bekommt, am besten gleich an die Kasse wenden.