Von Riccarda Oppold Bolsterlang - Eigentlich hätte Herbert Speiser allen Grund gehabt, sich ein für alle Mal vom Skisport abzuwenden: Ein tragischer Unfall kostete den ehemaligen Rennläufer seinen linken Unterschenkel. Doch von Verbitterung ist bei dem Bolsterlanger nichts zu spüren - Skifahren ist nach wie vor sein Leben. Schuld am Verlust seines Beines war eine Slalomstange, an der Speiser am 10. Juni 1964 beim internationalen 'Watzmann-Slalom' in Berchtesgaden hängen blieb. Die unnachgiebige Holzstange schlug ihm regelrecht den Unterschenkel ab. Der begeisterte Skifahrer musste lernen, mit einer Prothese zu leben.
Impulse und Ideen geliefert Heute würde ihm das wahrscheinlich nicht mehr passieren: Die damals verwendeten Fixstangen wurden weitestgehend durch Kippstangen ersetzt, die durch ihre Elastizität eine höhere Sicherheit gewährleisten. An ihrer Entwicklung war Herbert Speiser wesentlich beteiligt. Zwar will er sich nicht als alleinigen Erfinder der Kippstangen bezeichnen, aber er habe 'große Impulse und Ideen' geliefert, räumt der 63-Jährige ein. Außerdem hat er daran mitgewirkt, dass die Stangen permanent weiterentwickelt wurden.
Gleiche Bedingungen für alle'Die Beanspruchung ist gewaltig', erklärt Speiser. 'Das Material, der Aufbau des Gelenks und die Befestigung im Boden müssen stetig verbessert werden.' So muss zum Beispiel das Aufrichtmoment im Gelenk internationalen Ansprüchen genügen und optimiert werden, damit die Stange möglichst schnell wieder in ihre Ruheposition zurückkehrt und gleiche Bedingungen für den nächsten Läufer schafft. Eine moderne Kippstange ist aus hochwertigem Polycarbonat und kostet etwa 30 Euro. Für das Kindertraining werden häufig die günstigeren Gummistangen verwendet, die mit rund zehn Euro pro Stück zu Buche schlagen. Die Stange wird mit Gewindeschrauben 25 bis 35 Zentimeter tief im Schnee verankert, insgesamt misst sie ungefähr zwei Meter. Durch Verschleiß und extreme Kälte kann eine Kunststoff-Kippstange auch einmal brechen, allerdings gibt es günstig Ersatzteile zu kaufen. Heutzutage sei das hohe Verletzungsrisiko im alpinen Skisport nicht mehr auf die Slalomstangen zurückzuführen, sondern auf die Taillierung der Skier. 'Wir befinden uns hier in einem Grenzbereich. Die Gefahren, denen Top-Athleten ausgesetzt sind, sind materialbedingt', so der Bolsterlanger. Bei aller Begeisterung für die modernen Kippstangen sieht Herbert Speiser allerdings durchaus auch Nachteile in ihrer ausschließlichen Verwendung. Er findet, dass im Schülerbereich ganz auf die elastischen Stangen verzichtet werden sollte. Erst mit etwa zwölf Jahren seien Jugendliche körperlich in der Lage, mit ihnen umzugehen. 'Kinder sollen erst mal lernen, saubere Schwünge zu machen und um einen fixen Pol herum zu fahren. Das ist meine Erfahrung als langjähriger Trainer', sagt der Ski-Experte. Auch bei bestimmten Torkombinationen und extremen Steilhängen sei Vorsicht geboten, was die Kippstangen betrifft. Unter Umständen könne eine Fixstange auch einmal weniger gefährlich sein, weil sie das Tempo etwas bremst. Eine solche Situation sei aber sehr schwer zu beurteilen und deshalb nicht mit Sicherheit einzuschätzen, betont Speiser.
'Noch ganz gut drauf'Der 63-Jährige ist auch heute noch mit Herz und Seele dem Skisport verschrieben. Er gibt Skikurse, fährt bei Gaudi- und Seniorenrennen mit und macht gern Skitouren. 'Ich bin immer noch ganz gut drauf', erzählt er schmunzelnd. Mit seiner Amputation habe er keine Probleme, seine Ski-Schüler würden meist gar nicht merken, dass er eine Prothese hat. 'Das Skifahren begeistert mich einfach', resümiert Herbert Speiser. 'Die positiven Erlebnisse überwiegen gegenüber den negativen.'In seinem Sportgeschäft in Bolsterlang vertreibt er heute die von ihm mitentwickelten und optimierten Kippstangen. Seine Kunden sind vor allem Skischulen und Skivereine, aber auch Hundesportvereine kaufen die Stangen.