Artikel: Verbotene Liebe hinter Gefängnismauern

3. Januar 2003 20:29 Uhr von Allgäuer Zeitung

Paar lernte sich in Justizvollzugsanstalt kennen und schaffte gemeinsam den Sprung von der schiefen Bahn

Memmingen (aell). Eigentlich gehört zur Geschichte einer glücklichen Liebe viel Romantik. Doch im Fall von Frau und Herrn B. (Namen von der Redaktion geändert) standen dem Glück zahlreiche Hindernisse im Weg, wie die Gitter vor den Fenstern des Memminger Gefängnisses, in dem sie sich als Inhaftierte kennenlernten. Außerdem gab es Probleme mit den Besuchszeiten, wenn sie in unterschiedlichen Anstalten untergebracht waren. Und finanzielle Schwierigkeiten nach der Entlassung aus der Haft machten die Beziehung auch nicht einfacher. Auf den ersten Blick war es eine Liebe, wie es sie am Arbeitsplatz oft gibt: Kollegen lernen sich kennen und verstehen sich immer besser. Er arbeitete in der Küche, sie in der Wäscherei der Anstalt. Doch während sich Kollegen am Abend auf ein Glas Wein treffen können, mussten die beiden wieder in die Zelle: Sie wegen wiederholten Betrugs, er wegen Trunkenheit am Steuer und anderer kleiner Delikte. Er fühlte sich in der Memminger Anstalt gut aufgehoben und hat 'keinen Grund zur Klage'. Sie beschreibt ihre Zeit in dem Gefängnis ganz anders: 'Es war die Hölle.' Der Druck der Mitgefangenen setzte ihr zu. Mal sollte sie helfen, verbotene Post an der anstaltseigenen Zensur vorbeizuschmuggeln - und wurde prompt erwischt. Sie musste zum Rapport beim Anstaltsleiter antreten, der ihr klar machte, dass sie mit diesem Verhalten die Chance auf eine frühzeitige Entlassung nicht gerade fördere. Oder die Mitinhaftierten wollten Frau B. dazu zwingen, dass sie vom Ausgang Rauschgift mitbringt. 'Es war sehr schwer, sich gegen diesen Druck zu wehren', sagt die heute 63-Jährige. Doch lieber das aushalten, als ertappt zu werden und dann noch länger hinter Fenstern mit eisernem Vorhang zu wohnen. Denn sie hatte ein Ziel: Eine Beziehung mit ihrem 18 Jahre jüngeren Freund. Das war aber nicht einfach. Denn gewünscht ist so etwas im Gefängnis natürlich nicht, der Kontakt unter Inhaftierten eigentlich verboten. So hofften beide darauf, dass das Personal mal ein Auge zudrückt und sich die Verliebten aus den Fenstern der verschiedenen Gebäudetrakte quer über den Hof etwas zurufen können - während hunderte Ohren mithören. Besonders schwer war es, die Beziehung aufrecht zu erhalten, als Frau B. zwischenzeitlich in einer anderen Anstalt untergebracht wurde. Denn ihr Freund war Alkoholiker und 'seine Zuverlässigkeit ließ oft zu wünschen übrig', sagt die Frau heute und schenkt dem 45-Jährigen ein liebevolles Lächeln. Jetzt ist ihr Lebenspartner, mit dem sie eine Wohnung auf dem Land teilt, seit vier Jahren trocken. 'Das macht vieles leichter', sagt sie. Nun haben sie eine Wohnung mit Fernseher und Stereoanlage. Doch der Weg dahin war kein Zuckerschlecken. Wie fast alle, standen die beiden nach der Haftentlassung quasi mittellos auf der Straße. 'Wir hatten keine Wohnung und das Arbeitsamt hat mir keine Hoffnungen auf einen Job gemacht', berichtet die Frau. Sie suchte auf eigene Faust und fand eine Stelle im Service eines Hotels. Zusätzlich ging sie in einer Arztpraxis putzen, um genug Geld für das Abbezahlen ihrer Schulden zu verdienen. Diese sorgen dafür, dass die früheren Häftlinge, die beide arbeiten, finanziell nicht auf Rosen gebettet sind.

Elektrogeräte vom Wertstoffhof Die Kleidung ist gebraucht und stammt vom Roten Kreuz, die Elektrogeräte kommen entweder vom Wertstoffhof oder wurden in Zeitungsanzeigen unter der Rubrik 'die gute Tat' verschenkt. Trotz ihrer eher bescheidenen Lebensverhältnisse scheint das Paar glücklich zu sein, auch wenn es so etwas wie Urlaubsreisen nicht gibt und zum abendlichen Restaurantbesuch das Geld immer noch nicht reicht. Übereinstimmend betonen die beiden, dass sie ein Ziel zusammenschweißt: 'Nie wieder Gefängnis.' Mit diesem Beitrag endet die Serie 'Hinter Gittern'.