Von Andreas Filke, Unterthingau 'Er hat mir so viel davon vorgeschwärmt, da musste ich einfach mit', schmunzelt Martina Schmölz. Für ein halbes Jahr tauschen sie und ihr Verlobter Stefan Hornung die Betten in Unterthingau mit den Kojen an Bord des Luxusseglers 'Sea Cloud II'. Doch mit Urlaub hat dies alles wenig zu tun. Martina Schmölz bedient als Hotelfachfrau die betuchten Gäste und Stefan Hornung verdingt sich als Smutje in der Kombüse, bereitet also als Schiffskoch die kulinarischen Leckerbissen zu. Zunächst bleiben sie in Nordeuropa, steuern dann im Sommer das Mittelmeer an und nehmen im Herbst Kurs auf die Karibik. 'Das wird auf dem Segelschiff ein Härtetest für alle', weiß der 28-Jährige. Schon einmal überquerte er 'bei Windstärke 10' den Atlantik, damals mit dem Fünf-Sterne-Schiff MS 'Europa'. Das Fernweh packte Hornung schon früh. Seine Eltern, die das Gasthaus 'Adler' in Unterthingau betreiben, gönnten sich wenig Urlaub. Wenn es die Zeit erlaubte, dann zog es sie weit weg vom Allgäu. Einmal ging Stefan mit seinen Eltern im Mittelmeer auf Kreuzfahrt. Das faszinierte ihn so sehr, dass er den Wunsch hegte, auf einem Schiff zu arbeiten.
'Mir zitterten die Hände' Als später in der Lehre im Marktoberdorfer Hotel Sepp sein Kollege Peter Seichter von seiner Arbeit auf der 'Queen Elizabeth II' erzählte, war es um Hornung endgültig geschehen. 'Auf einen kleinen Koch aus dem Allgäu werden die nicht gerade warten', sagte er sich, als er sich 1997 trotzdem um eine Stelle auf der 'Europa', weltweit die Topadresse, bewarb. Selbst Berichte im Vorstellungsgespräch, er müsse bis zu 15 Stunden am Tag arbeiten und finde kaum Zeit zum Landgang, schreckten ihn nicht. 'Drei Wochen später war ich auf dem Schiff. Als sie mir da eine Tasse Kaffee angeboten haben, habe ich abgelehnt. Mir zitterten so sehr die Hände.' Das gab sich schnell. 'Die Gemeinschaft ist einmalig. Jeder kann sich auf jeden verlassen. Es wird auch selten jemand krank, weil man ganz genau weiß, auf See gibt's keinen Ersatz. Da will man die anderen nicht hängen lassen.' Sprachliche Probleme gab es nie. In der Küche verständigte sich die Crew meist auf Deutsch. Auch ein paar Brocken Seemannssprache wie Backbord (in Fahrtrichtung links), Steuerbord (rechts) oder Achterdeck (hinteres Stockwerk) schadeten nicht, wenn es um die Frage geht, wo das Buffet aufgebaut wird. Für all die Strapazen entschädigte manche Brotzeit mit Hummer, Kaviar und anderen Köstlichkeiten, obwohl er an manchen Tagen froh ist, 'wenn mir jemand ein Schnitzel mit Pommes macht'. Unvergessen sind auch die Ausflüge an Land, die sich dann doch ergaben. Im Jahr darauf ging er wieder auf die 'Europa', in der vergangenen Saison arbeitete er auf der 'Prinzessin von Preußen' und fuhr Rhein, Mosel und Donau auf und ab. 'Was mir noch fehlte, war ein Segelschiff', sagt Hornung und bewarb sich als Koch auf der 'Sea Cloud II'. Luxus pur bis hin zu Marmorbädern bietet der Windjammer, auf dem 96 Passagiere und 58 Mann Besatzung - allein zehn Köche - Platz finden. Wobei 'Mann' nicht ganz passt, schließlich gibt es Frauen wie Martina Schmölz an Bord. Nach ihrer Verlobungsreise auf der 'Aida' wollte die 23-jährige Hotelfachfrau, die nach ihrem Abitur unter anderem im Nobelhotel 'Traube' in Baiersbronn im Schwarzwald tätig war, auf See. Dass beide nun gemeinsam auf einem Schiff arbeiten, freut sie sehr. Und schon gerät der Unterthingauer wieder ins Schwärmen: 'Du arbeitest, siehst aus dem Bullauge und neben dir springen die Delfine vorbei. Wer hat das schon?' Oder die Abende an Deck, die untergehende Sonne vor Augen, die salzige Luft in der Nase. Von dieser Erinnerung werden Stefan Hornung und seine Verlobte lange zehren müssen, wenn sie in absehbarer Zeit das Gasthaus 'Adler' übernehmen. Immer, wenn sie das Fernweh packt, wollen sie sich zurückziehen in die maritime Stube, die sie in dem Lokal einrichten wollen, und in Erinnerungen an ihre Monate auf der 'Sea Cloud II' schwelgen. Na dann: Mast und Schotbruch und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel, wie sich die Segler grüßen.