Er wird zuerst gar nicht richtig wahrgenommen, dieser namenlose 'Mann' mittleren Alters, der da bereits am Bühnenrand der Kulturwerkstatt am Schweizerberg sitzt, während die Zuschauer noch Platz nehmen. Und genau darum dreht sich Eugen Ruges Monolog 'Restwärme': Um einen, der den Anschluss verpasst hat, der aussortiert wurde aus der modernen Arbeitswelt, um einen schwer Vermittelbaren. Anke Siefken schlüpft unter der Regie von Daniel Theuring in die Rolle dieses Mannes, der sich auf ein wichtiges Bewerbungsgespräch vorzubereiten hat – und sie meistert sie bravourös.
Schwer vermittelbar scheinen diesem irgendwie aus der Zeit gefallen Altlinken seine eigenen Vorzüge und Ideale; deshalb übt er vor einem imaginären Chefsessel akribisch jedes Detail, das ihm zum Job verhelfen soll. Das Lächeln, den Händedruck, die Körperhaltung. Wieder und wieder – aber mit wachsenden Selbstzweifeln. Er puscht sich mit Kaffee, Deo und Mundspray, wappnet sich mit Aidstest, Tabletten und klugen Zitaten – und ahnt doch, das ihm etwas Entscheidendes fehlt: 'Ich bin nicht cool genug, ich habe eine gewisse Restwärme', sagt er.
Die hat sich der Ex-Kommunist ('ein Grundirrtum der Epoche') stets bewahrt, der sich heute eine 'gewisse Ratlosigkeit in weltanschaulichen Fragen' zugesteht und sich bestenfalls als 'parteiloser Grüner' bezeichnen würde. Und die steht ihm jetzt im Weg auf der verzweifelten Suche nach dem Trick, der ihm die Tür zum Erfolg öffnen soll. Wie ein Hamster im Rad rennt er auf dem roten Bühnenteppich dagegen an ('alles eine Frage der Energiekurve'), Pannen wie die im Übereifer kaputtgebügelte Flanellhose steckt er scheinbar locker weg, schließlich sind die Zeiten vorbei, in denen man mit einer Jeans seine Gesinnung zur Schau trug. Wenn es nur im Kopf nicht so brummen, stechen und rauschen würde
Viele komische Momente
In diesem Monolog, der unentwegt um dasselbe Thema kreist, die Spannung aufrechtzuerhalten ist ungeheuer schwierig. Doch Siefken packt ihr Publikum mit ihrer ebenso vergnüglichen wie eindringlichen Darstellung dieses 'innerlich Gelähmten', vom zaghaften Beginn bis zum mutigen Abgang. Nicht zuletzt mit genau an den richtigen Stellen eingestreuten Gags wie etwa einer Hitler-Persiflage oder einem kleinen Zischlaut-Stakkato. Und trotz aller komischen Momente gibt sie diese fragile Bühnenfigur am Rande der Verzweiflung nie der Lächerlichkeit Preis. Im Gegenteil, sie verleiht ihr etwas, was zu den wichtigsten Werten unserer Gesellschaft gehört: Würde.
Potenzfördernde Boxershorts
Dass in dieser Inszenierung eine Frau den alternden Mann mimt, der keinen mehr hoch kriegt (obwohl er potenzfördernde Boxershorts trägt), nimmt der Vorlage nichts, bringt aber auch keine neue Sichtweise hinein. Schließlich sind auch Frauen solchen Situationen immer wieder ausgesetzt.
Langer Applaus für die überzeugende Umsetzung eines Stücks, das heute noch genauso aktuell ist, wie bei seiner Uraufführung vor 20 Jahren.
Termine Wieder zu sehen am 14. und 20. April sowie 1., 24. und 25. Mai (jeweils um 19.19 Uhr); Karten gibt es im Vorverkauf in der Stadtinformation, Telefon (08331) 850-172 oder in der Kulturfabrik, Telefon (083 31) 640 13 94.