Von Rainer Schmid |KemptenHätte Ludwig Thoma an diesem Abend unter den Zuhörern gesessen, er wäre zuallererst fasziniert gewesen von der attraktiven Frau im leuchtendroten Cordanzug an der Harfe. Denn er war sein Leben lang, wie man auf Altbairisch sagt, ein "Weiberer" - eine von vielen schillernden Facetten dieses "schwierigen Bayern", wie Michael Lerchenberg seinen lebensvollen Thoma-Vortragsabend im Kornhaus überschrieb.
Ob allerdings Thoma nach der Vorstellung versucht hätte, die bezaubernde Harfenfrau Marlene Eberwein ihrem Ehemann abzukaufen (wie er das bereits einmal mit Erfolg praktiziert hat, 1906, im Fall der schweiz-philippinischen Tänzerin Marietta della Rigado, für 16000 Reichsmark), das wissen wir nicht. Und ob Frau Eberwein dann auch ein Dirndl angezogen, Kühe gemolken und den Stall ausgemistet hätte, wissen wir noch weniger.
Jedenfalls ging die Sache schon damals nur vier Jahre lang gut, bis sich der "spinnerte Doktor von Rottach" 1911 scheiden ließ. Freund Ludwig Ganghofer hatte ihn am Schlawittchen gepackt: Vorher betrete er sein Haus nicht mehr. Thoma entschied sich für Ganghofer.
"Ich bin fürwahr kein Feind der holden Frauen", so fängt eines der deftig-eindeutigen Gedichte Thomas an. Aber ebenso eindeutig - und für heutige weibliche wie auch männliche Ohren stark befremdlich - klingt sein harsches Urteil über politisierende Frauen, speziell "das Fräulein Luxemburg" (die geistvolle, gescheite Kommunistin): "Sie taugen nichts im Hause, nichts im Bette", so schimpft er. Überhaupt sei die Frauenbewegung "etwas für Frauen, die sonst nix zu tun haben".
Trotz solch konservativer Einstellung greift Thoma als Redakteur des "Simplicissimus" die christliche Zentrumspartei im bayerischen Landtag des neuen Jahrhunderts an wie ein bissiger Kettenhund, der ja das "Logo" dieses populären Satireblatts ist: "Was ist schwärzer als die Kohle, als der Ruß , als des Negers Vorderfuß? Bayerns neues Parlament!"

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Gekonnte Schauspielerei
Diesem "frömmsten, dümmsten" Verein gehört natürlich auch sein Jozef Filser an, dessen fiktive Briefe im neandertal-bayerischen "Filser-Deutsch" auch heute noch, im Kornhaus, Lach-Wellen auslösen. Wenn sie halt so gekonnt geschauspielert werden wie von Michael Lerchenberg. Der kann es sich nicht verkneifen, ernsthaft darauf hinzuweisen, dass diese polit-kritischen Texte hundert Jahre alt sind.
Herrlich passend, wenn auch deutlich jüngeren Datums, sind die Musik-Einlagen des "crème duetts": Richard Köll moduliert mit Klarinette und Baritonsaxofon Improvisationen zum "Männlein im Walde", zum zwiefachen Volkston, klezmerisch angehaucht, virtuos und fein gesponnen. Und seine Harfen-Begleiterin Marlene Eberwein hätte auch einen musikbegeisterten Ludwig Thoma nicht nur durch ihr anziehendes Outfit fasziniert.