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Artikel: Teils herbe Kritik an neuer Trau-Regelung

7. August 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
thorsten jordan

Heirat Reaktionen örtlicher Geistlicher auf die Änderung des Eherechts

Marktoberdorf | bs | Kurz bevor sie in ihre Sommerpause gingen, verabschiedeten die Parlamentarier in Berlin noch ein Reformgesetz. Die kleine Änderung im sogenannten Personenstandsrechtsgesetz schlägt große Wellen. Die neue Regelung besagt, dass kirchliche Trauungen künftig auch ohne vorherige standesamtliche Eheschließung erlaubt sind. Zum 1. Januar 2009 wird die Regelung, wonach Priester und Pfarrer mit einer solchen Trauung eine Ordnungswidrigkeit begehen, aus dem Gesetzestext gestrichen.

"Das Standesamt betrifft diese Neuregelung eigentlich kaum, eher schon die religiöse Seite der Trauung", sagt der Marktoberdorfer Standesamtsleiter Rupert Filser. Er befürchtet durch die Änderung keinen Rückgang an standesamtlichen Eheschließungen, da eventuelle rechtliche und steuerrechtliche Vorteile nur die zivilrechtlich geschlossene Ehe betreffen.

Der evangelische Pfarrer Harald Deininger steht dem Gesetz als Kirchenvertreter kritisch gegenüber: "Ich sehe in dieser Neuerung grundsätzlich mehr Gefahren als Chancen." Man könne sich prinzipiell die Frage stellen, in welchem Fall dieses Gesetz überhaupt Sinn mache. In seinen Augen ist es keine Ehe im ganzheitlichen Sinn, wenn ein Traupaar die rechtlichen Konsequenzen einer standesamtlichen Eheschließung scheut.

"Das christliche Verständnis von Ehe schließt für mich alles ein, auch die Verpflichtung zur Versorgung oder die Frage der Erbschaft im Falle des Todes", sagt Deininger.

Kirchenrecht und Staatsrecht müssen berücksichtigt werden

Das aktuelle Kirchenrecht untersage ihm ohnehin eine solche Eheschließung. Die evangelische Kirche sei seines Wissens momentan auch nicht dabei, diese Regelung abzuschaffen. Zwar richte er sich nach beiden Rechtsgrundlagen, doch er müsse immer entscheiden, welches Recht für ihn als Geistlichen weiter gehe. "Es gibt einfach gewisse Dinge, die ich zwar nach Staatsrecht darf, nach dem Kirchenrecht aber nicht", erklärt Deininger.

In politischen Kreisen wurden jüngst auch Befürchtungen geäußert, das Gesetz könne Mehrfachehen oder Zwangsheirat begünstigen. Für die christlichen Kirchen könne man das ausschließen, so Deininger, doch gewisse Sekten könnten mit dieser Neuerung theoretisch "Schindluder" treiben.

Auch der katholische Dekan Erwin Ruchte aus Görisried sieht in der Änderung "große Nachteile" und hält sie für "sehr bedenklich". Als Hauptproblem betrachtet er den Wegfall des rechtlichen Schutzes der Ehe. Es gebe beispielsweise keine Unterhaltspflicht mehr.

Auch der Schutz des Schwächeren falle weg. Für die Kirche selbst birgt die Gesetzesänderung nach Ruchtes Ansicht ebenfalls Probleme: "Die Kirche kann haftbar gemacht werden, falls der betreffende Pfarrer Paare nicht über die rechtlichen Nachteile aufklärt", betont Ruchte. Die Sache habe im Prinzip nur einen Vorteil, sagt der Pfarrer schmunzelnd: "Heiratswillige brauchen nur eine Hochzeit."

Der Marktoberdorfer Stadtpfarrer Wolfgang Schilling sieht die bisherige Regelung als sinnvoll an: "Durch die standesamtliche Trauung wird in gewisser Weise die Ernsthaftigkeit einer Ehe nachgewiesen." Grundsätzlich denkt Schilling, dass trotz der Änderung "alles so bleiben wird, wie es ist". In gewissen Fällen aber habe die Kirche nun die Freiheit, es "so zu gestalten, wie sie will".