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Täglich 220 Klaviersaiten stimmen

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Täglich 220 Klaviersaiten stimmen

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    Durach (baf). Die meisten ihrer ehemaligen Klassenkameraden vom Hildegardis-Gymnasium in Kempten sind zum Studieren gegangen. Nicht so Agnes Beermann. Die 23-jährige aus Durach lässt sich in Mönchengladbach ausbilden - zur Klavierbauerin.'Das ist der beste Beruf, den es gibt', ist Beermann überzeugt. Zumindest für sie, möchte man einschränken. Denn wer besitzt schon ausreichend Gehör und Geduld, täglich 220 Klaviersaiten zu stimmen? Wer behält bei 5000 Einzelteilen den Überblick und repariert 'Hammerköpfe', 'Stoßzungen' und 'Piloten' fachgerecht? 'Man braucht sehr viel handwerkliches Geschick', gibt Beermann zu. Und findet, dass 'Klavierrestauratorin' ihre tägliche Arbeit besser beschreibt, denn: 'wir reparieren nur'. Wir, das sind Beermann und ihr Ausbilder Heinz Joseph Kalscheuer. Den hat sie über das Internet gefunden. 'Ich wollte nicht in einer Klavierfabrik arbeiten', sagt Beermann. An dem kleinen Betrieb schätzt sie denn auch die Vielseitigkeit. 'ich stimme, repariere, arbeite im Service'. Langweilig sei ihr in der Werkstatt noch nie geworden, dazu trage auch der häufige Kundenkontakt bei. Mittlerweile braucht sie nur noch zwei Stunden, um ein Klavier oder einen Flügel zu stimmen. Beermann: 'Am Anfang habe ich zwei Tage benötigt'.

    Mal schnell nach Holland Auch in der Freizeit wird ihr nicht langweilig. Manchmal geht sie mit ihrem Chef ins Stadion: 'Er ist Fußballfan.' Auf ihren Bundesligaverein sind die Mönchengladbacher stolz, daneben nennt sich die mit 270 000 Einwohnern 'größte deutsche Stadt westlich des Rheins' gerne 'Hockey-Hauptstadt'. Keine Frage, dass Beermann bei der kürzlich dort ausgetragenen Hockey-Weltmeisterschaft nicht fehlte. Ansonsten fährt sie statt an den Öschlesee mal schnell nach Holland, auch den Karneval findet Beermann 'recht lustig'. Sicher vermisse sie ihre Allgäuer Heimat - nicht nur Berge und Kühe, wie kürzlich die 'Rheinische Post' in einem Artikel über sie schrieb, sondern 'einfach alles'. Da sie mit dem Zug mehr als sieben Stunden unterwegs ist, 'lohnt sich die Fahrerei für ein Wochenende leider nicht'. Mittelfristig würde sie gerne wieder in Durach oder Umgebung leben - wenn es sich ergibt. Eigentlich ist die Konkurrenz bei den Klavierbauern überschaubar: Bundesweit werden pro Jahrgang nur etwa vierzig Lehrlinge ausgebildet. Sie besuchen alle die einzige Berufsschule in Ludwigsburg bei Stuttgart. Dort hat Beermann kürzlich ihre theoretische Prüfung bestanden - als Beste. Jetzt fängt sie an, sich auf die praktische Prüfung vorzubereiten. Gut, dass sie Ausdauer hat: Insgesamt 24 Stunden lang muss sie dann an einem Prüfstück arbeiten.

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