Heimenkirch | fee | Geschäftstüchtigkeit, Sprachentalent und ein ganz besonderer Umgang mit seinen Mitmenschen wurden Günther Holdenried schon in die Wiege gelegt. All seine Vorfahren waren in irgendeiner Art mit Handel oder Handwerkbeschäftigt, manche betrieben auch Landwirtschaft. Die Familienchronik lässt sich bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Seit 21 Jahren betreibt Günther Holdenried, der Reisekönig des Allgäus, sein Reisebüro in Heimenkirch in der Kemptener Straße.
Angefangen hat alles vor 100 Jahren, als sein Großvater, Carl Holdenried, das Kolonialwarengeschäft von Georg Lingg kaufte. Am 29. November 1907 ist bereits die erste große Anzeige vom 'Kaufhaus Holdenried' mit Werbung für Weihnachtsgeschenke im 'Anzeigenblatt für das westliche Allgäu' zu finden.
Carl Holdenried war sich ganz offensichtlich der Wirkung von Werbung bewusst. Denn er schaltete Anzeigen über die unterschiedlichsten Artikel - und es gab fast nichts, was nicht vom Kaufhaus Holdenried angeboten wurde. Carl Holdenried handelte mit Linoleum, Wachstuch, Tapeten und Vorhangstoffen ebenso wie mit Ofenrohren, Futtermittel, Kunstdünger (mit Extrarabatt) oder landwirtschaftlichen Geräten. Als im 1. Weltkrieg alles knapp wurde, bot er Email-Geschirr für den Haushalt an. Denn: 'Den durch die Beschlagnahme von Küchengeschirren aus Messing und Kupfer eingetretenen Bedarf decken Sie am besten jetzt sofort vor Eintritt neuer Preisaufschläge '. Er weist in den Inseraten auch auf die jeden Tag knapper werdenden Waren hin.
Moderne Dampfheizung
Zwanzig Jahre nachdem Carl Holdenried das Geschäft übernommen hatte, wurde der Laden von Grund auf renoviert. Durch die Vergrößerung der Fensterflächen kam mehr Helligkeit in die Räume. Das allermodernste aber war ' die Einrichtung der Dampfheizung, wenn in der eisumstarrten Winternacht St. Nikolaus und das liebe Christkind dort ihren Einkauf tätigen'.
1939 wurde das erste Mal für Aschermittwoch Fisch aller Art angeboten - der Einstieg zum Lebensmittelverkauf. Zehn Jahre später, also nach dem 2. Weltkrieg, hatte das Kaufhaus Holdenried eine eigene Hauszeitung: 'Magazin der Hausfrau'.
Bis zu 40 000 Artikel
1955 übernahm der Sohn, Hans Holdenried, das florierende Geschäft. Er führte es mit Unterstützung seiner Tochter Waltraud. 1963 wurde der Betrieb in ein SB-Geschäft umorganisiert und war der Edeka-Gruppe angeschlossen. In seinem Haus in Lindenberg, Hauptstr. 59, eröffnete Hans Holdenried ein Raumausstattungs- und Spielwarengeschäft, das Sohn Wolfgang leitete.
1975 übernahmen die Söhne Hans-Jürgen und Günther die Leitung der Firma. Schon während seines Betriebswirtschafts-Studiums in München half Günther Holdenried in der Freizeit im Laden. Er gliederte dem Kaufhaus, in dem zeitweise bis zu 40 000 Artikel angeboten wurden, einen Weinhandel an.
Den Anstoß, selbst Reisen zu veranstalten, lieferte eine Fahrt in den Urlaub: 1977 buchte er eine Kreuzfahrt. 150 Mark für die Busfahrt erschienen ihm im Verhältnis zur Kreuzfahrt mit 620 Mark ausgesprochen hoch. 'Da war die Suppe teurer, als das Hauptgericht', stellt er nach mehr als 100 eigenen Kreuzfahrten noch immer kopfschüttelnd fest. Er nahm die Sache selbst in die Hand und organisierte 1978 eine Busfahrt nach Genua. Preis pro Person: 35 Mark.
Von da an verkaufte er neben Lebensmitteln auch Busreisen. 1986 schließlich schloss das Kaufhaus die Pforten und Günther Holdenried eröffnete sein Reisebüro.