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Stubentigers letzter Gang

Erolzheim

Stubentigers letzter Gang

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    Stubentigers letzter Gang
    Stubentigers letzter Gang Foto: schollenbruch

    Ein letzter Blick noch von Frauchen und Herrchen, dann gleitet Perserkatze Lissy in den 850 Grad heißen Ofen. Das Ehepaar, ganz in schwarz, wendet sich ab. Beide halten einander an den Händen und verlassen zügig den Abschiedsraum. Sie wollen raus, an die Luft, allein sein mit ihren Gedanken, mit den Erinnerungen an das geliebte Tier. Ihre Augen sind gerötet. Nein, keine Fragen jetzt, bitte.

    "Das sind schmerzvolle Momente, wenn man sich von einem Tier verabschieden muss, das zehn Jahre oder länger quasi zur Familie gehörte", sagt Bastian Atzger. Der 29-Jährige ist Geschäftsführer des im vergangenen Oktober eröffneten Tierkrematoriums in Erolzheim (Landkreis Biberach). Es ist das einzige in der Region, deutschlandweit gibt es gerade einmal sieben Krematorien für Tiere. "Aber immer mehr Menschen entscheiden sich für eine würdevolle Bestattung ihres toten Lieblings", sagt der studierte Betriebswirt.

    Doch noch sieht es anders aus: Alljährlich sterben in Deutschland zwischen zwei und drei Millionen Haustiere. Der Großteil musste beim Tierarzt eingeschläfert werden und die meisten bleiben nach ihrem Tod auch dort.

    Nahezu 90 Prozent der toten Tiere werden in Tierkörperbeseitigungsanstalten (TBA) entsorgt, zusammen mit Schlachtabfällen, verendeten Nutztieren und im Straßenverkehr verunglückten Tieren. In den TBA und angegliederten Spezialbetrieben werden sie zu verkaufsfähigen Produkten wie Gelatine oder Dünger weiterverarbeitet. Das Tierfett dient zudem als Basis für Seife und technische Schmiermittel.

    Unwissenheit bei Tierhaltern

    Eine unangenehme Vorstellung für einen Tierhalter, der mit seinem Liebling jahrelang Haus und manchmal auch Bett teilte. "Wir hatten unseren Hund von kleinauf. Deswegen kam es für uns nicht in Frage, ihn quasi einfach wegzuschmeißen. Das hätte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren können", sagt eine Frau zur Begründung, warum sie sich für die Kremation ihres Hundes entschied.

    Noch ist das eher die Ausnahme. "Viele Halter wissen nicht, was passiert, wenn sie ihr totes Tier beim Tierarzt lassen", hat Atzger festgestellt.

    In Erolzheim werden Hund oder Katze auf ihrem letzten Gang begleitet bis zuletzt. Herrchen und Frauchen können im Abschiedsraum noch einmal ihr Tier sehen, vielleicht das Fell streicheln. Durch eine Glasscheibe sieht man von hier aus, wie die Einäscherung beginnt und sich die Öffnung des Gasofens schließt. Etwa eine Stunde dauert es bei einer Temperatur von bis zu 1000 Grad bis von einer Katze nurmehr ein Häufchen Asche übrig ist. Die Asche können die Besitzer auf Wunsch in einer Urne mit nach Hause nehmen. Das Krematorium bietet hier eine breite Auswahl: von der einfachen Holzurne bis zur 100 Euro teuren Urne aus Kupfer.

    Der Preis für eine Einäscherung richtet sich nach dem Gewicht der Tiere: Die Einzeleinäscherung eines Vogels kostet 75 Euro, für einen schweren Hund werden rund 300 Euro berechnet.

    Auch Ziege schon verbrannt

    Die weitaus meisten von Atzgers Kunden ("etwa 70 Prozent") sind Hundehalter, ein Viertel halten Katzen. Aber auch Nager, ein Leguan und eine Zwergziege haben Tierhalter schon zur Kremation nach Erolzheim gebracht. So unterschiedlich die Schichten, so verschieden die Art der Trauer, die Menschen, die zu Bastian Atzger kommen eint doch eines: "Sie haben ihre Tiere von Herzen lieb." Und noch etwas hat Atzger beobachtet. "Für viele ist es wie eine Erlösung, wenn sie merken, dass sie hier richtig um ihren Liebling trauern dürfen."

    So wie das schwarz gekleidete Ehepaar. Als sie die Asche ihrer Lissy in einer Urne mitnehmen, sagt er zum Abschied etwas unbeholfen: "Es hat uns Spaß gemacht." Sie haben wohl das Richtige getan für ihr Tier - und sich selbst.

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