Artikel: Stollen ruht vier Tage im Dunkeln

10. Dezember 2002 20:30 Uhr von Allgäuer Zeitung

25 Produkte bei der ersten öffentlichen Stollenprüfung im Landkreis - Tipps vom Prüfer Westallgäu/Lindau (do). So eine Auswahl an Stollen auf einem Fleck hat es selten im Landkreis gegeben. 25 Stück stellten sich der Stollenprüfung. Erstmals ging sie öffentlich in der Sparkasse Lindau über die Bühne. 'Der Bäckerstollen soll wieder etwas mehr ins Bewusstsein der Kunden rücken. Wir wollen zeigen, wie groß der Qualitätsunterschied zum Industriestollen ist', sagt Markus Holderied. Der Lindenberger ist Obermeister der Bäckerinnung Lindau.

Die Prüfung ist Kür, nicht Pflicht. Aber die Bäcker nehmen gern daran teil, weil, wie Holderied sagt, die Stollen nicht nur bewertet werden, sondern die Bäcker auch Tipps vom Prüfer erhalten. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks schickte Gustav Köller aus. Seit 24 Jahren ist er Stollen-, Brot- und Semmelprüfer. Voraussetzung für die Arbeit sei ein besonders feiner Geschmackssinn, der schnell auf Abweichungen reagiere. Fünf Kilo nimmt Köller in der Stollenprüfungszeit zu. 'Aber die trainiere ich mir in den Weihnachtsferien in den Bergen wieder ab.' 25 verschiedene Stollen prüft er in Lindau. Christstollen, Mohnstollen, Nussstollen, Madelstollen, Butterstollen, Früchtestollen. Die Produkte dürfen so verschieden wie ihre Hersteller sein, aber einige Grundsätze müssen sie erfüllen, damit sie sich Stollen nennen dürfen: Der Buttergehalt muss bei mindestens 40 Prozent liegen, der Früchteanteil bei 70 Prozent. Was ist denn nun wichtig an einem guten Stollen? 'Er darf nicht zu lange gebacken werden. 45 Minuten müssen ausreichen. Die Kruste darf nicht zu braun sein, muss karamellig, darf nicht bitter schmecken. Das typische Stollen-Aroma nach Mandeln, Butter und Vanille muss deutlich wahrnehmbar sein', sagt Köller. Besonders wichtig sei auch die richtige Behandlung nach dem Backen und die Lagerung: 'Der Stollen wird mit reiner, flüssiger Butter bestrichen und in Puderzucker gewendet. Das konserviert Geschmack und Feuchtigkeit im Inneren des Gebäcks.' Kühl und dunkel müsse er liegen. Mindesten drei bis vier Tage ruhen, um richtig durchzuziehen, damit sich das volle Aroma der Früchte wie Orangat und Zitronat und der Rosinen, die schon seit September in Rum eingelegt waren, entfalten kann. Haltbar sei das gute Stück dann drei bis fünf Wochen. Geprüft wird von außen nach innen: Form und Aussehen, Krusteneigenschaften, Lockerung und Krumenbild, Struktur, Elastizität, Geruch und Geschmack werden bewertet. 'Wenn der Stollenprüfer gar nichts an dem Stollen auszusetzen hat, wenn es überhaupt keine Punktabzüge gibt, dann bekommt das Backwerk die Note 'sehr gut,' ergänzt Markus Holderied, 'dieses Ergebnis zeigt dann dem Kunden des Bäckers, dass er hier einen ausgezeichnete Stollen kauft, der seinen Preis wert ist.' Hat ein Betrieb dreimal die Bestnote 'sehr gut' für die gleiche Stollensorte erhalten, bekommt er für diese Leistung eine Goldmedaille und eine Urkunde überreicht. In den Bäckerei-Innungsbetrieben des Landkreises findet am Donnerstag, 12. Dezember ein Stollenprobiertag statt.