Kempten(buc). Was hofft der Mensch im Internet zu finden? Ist er auf der Suche nach längst verschollen geglaubter etruskischer Liebeslyrik? Forscht er nach Hinweisen, welcher Kaiser tief unterm Berg Kyffhäuser sitzt: Friedrich I. Barbarossa oder aber Friedrich II., der mit dem netten Zusatz 'Staunen der Welt'? Möchte er erfahren, was der lokale Nachwuchs einer großen christlichen Volkspartei tut und denkt? Pustekuchen! Sowas tippt kaum ein Web-Surfer in Suchmaschinen wie 'Google' und Co. Unangefochtener Platzhirsch auf den vielen im Web kursierenden Bestenlisten der 100 im Internet meistgesuchten Wörter ist? Richtig: 'Sex'! Dicht gefolgt von - dem Verständigen ist's genug - 'XXX', 'MP3', 'Fun', 'Girls' und 'Horny'. Weiter hinten tummeln sich im deutschsprachigen Raum Begriffe wie 'Geil', 'Aldi', 'Media Markt', 'Blondine', 'Erotik' und 'Verona Feldbusch nackt'. Seiten, die mit diesen für Suchmaschinen attraktiven Schlüsselwörtern aufwarten, stehen, um es mit Brecht zu sagen, 'im Licht'. Und man sieht, wie in der 'Dreigroschenoper', nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht. Darum finden sich auf vielen Millionen Seiten diese 100 und mehr Zauberwörter, auf dass recht viele Besucher den Weg dort hin finden mögen, auch wenn da das Angebot ganz anders ist als eigentlich erhofft. Wobei wir jetzt bei der eigentlichen Geschichte wären.
Seit gut fünf Jahren fristete die Homepage der Jungen Union Kempten ihr Dasein als eine Seite der Gattung 'nett, aber nicht wirklich aufregend'. Entsprechend war auch die Zahl der 'Clicks', der Besuche. Das änderte sich letzte Woche schlagartig, als der neue 'Webmaster' (der Seitenbetreuer) der Homepage aktiv wurde: Der 18-jährige Schüler machte, was viele andere auch tun, um den Bekanntheitsgrad ihrer Seiten zu fördern: Er kopierte - ohne jemand was davon zu sagen - die 100 Wörter auf die blau hinterlegte Seite der JU und färbte - wie wiederum viele Webmaster weltweit tun - die Wörter in der Hintergrundfarbe ein. Resultat: Sie waren auf der Seite, aber dort eben nicht zu sehen. Die ersten Tage lief's diese Woche noch sehr schön. Die 'Clicks' wuchsen deutlich: von ca. 20 pro Tag auf satte 200. Vor allem, weil Web-Surfern aus einer ganz anderen politischen Ecke (auf der Suche nach was?!) auf die versteckten Begriffe gestoßen waren. Sie informierten - Motto: 'Ätsch, erwischt!' - auch den Kemptener Webmaster. Dem dämmerte nun, was er da angerichtet hatte. Er reagierte sofort, löschte den Text und informierte den bis dato völlig ahnungslosen JU-Vorsitzenden, der aus allen Wolken fiel. Seit gestern ist die Seite wieder ohne 'Verona nackt' online. Dafür mit 'Stoiber'. Ganz offen. Ob's da aber noch so oft 'Click' macht?