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Statt ins Heim in die Familie

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Statt ins Heim in die Familie

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    Wenn Kinder zu Pflegeeltern kommen - Über 100 Kinder im Landkreis betroffen Westallgäu/Lindau (ee). Es sind unterschiedlichste Gründe, wieso ein Kind nicht in der eigenen Familie aufwachsen kann. Manchmal ist es ein überschaubarer Zeitrahmen von einigen Wochen oder Monaten, in anderen Fällen zehn und mehr Jahre. Wenn der neue Aufenthaltsort aber kein Heim sein soll, dann ist vor allem eines wichtig: eine verständnisvolle Pflegefamilie. Ihr widmen wir in den nächsten Wochen eine Serie in unserer Zeitung.

    69 Tages- und Vollzeit-Pflegefamilien gibt es derzeit im Landkreis Lindau. Doch der Bedarf ist deutlich höher. Das weiß das fünfköpfige Pflegeteam im Jugendamt nur zu sehr: Über 100 Kinder aus dem Landkreis Lindau im Alter zwischen wenigen Wochen und 18 Jahren leben derzeit nicht bei den eigenen Eltern. Und darum will das Jugendamt unter der Federführung von Barbara Binder-Wildner jetzt in die Offensive gehen: Mit einem Aktionsabend im St.-Anna-Haus in Opfenbach möchte man weitere potentielle Pflegeeltern ansprechen. Die Sozialpädagogin und Familientherapeutin arbeitet seit zehn Jahren als Honorarkraft für das Lindauer Jugendamt. Als sozialpädagogische Familienhilfe ist sie so seit langem als 'Feuerwehr' im Einsatz, wenn es in Familien brennt. Und so kennt die Pädagogin das Schicksal so manches Pflegekindes sozusagen von den Wurzeln an. Etliche stammen aus Teilfamilien, das eine oder andere hat einen Elternteil, der alkohol- oder drogensüchtig ist. 'Wir haben einige Buben und Mädchen, die ein ganz schönes Päckchen mit sich herumtragen', beschreibt Binder-Wildner die teilweise traumatisierten Kinder - die oftmals bei Pflegeeltern zum ersten Mal erfahren, wie das Leben in einer vollständigen Familie läuft. Nun besteht das Leben mit einem Pflegekind aber nicht nur aus Krisen, jedenfalls nicht viel mehr als beim eigenen Nachwuchs auch. Davon ist die Sozialpädagogin überzeugt. Und hat sich deshalb auch vorgenommen, bei Ehepaaren 'Lust zu machen auf diese Aufgabe, sie zur Aufnahme eines Pflegekindes zu motivieren'. In zahlreichen Fällen sei die Tagespflege ein guter Einstieg in dieses Metier: Susanne Schnell vermittelt diese Stellen im unteren Landkreis, ihre Kollegin Heike Schemmel im Westallgäu. Meist sind es jüngere Kinder, für die ein Platz gesucht wird, etwa wenn die Mutter allein erziehend ist und wieder arbeiten oder sogar erst ihre Ausbildung abschließen muss. Der Anteil der so genannten Teenager-Mütter wächst nämlich auch im Landkreis Lindau ständig: Junge Mädchen, die der Verhütung keine Beachtung schenken, mit 16 oder 17 Jahren ihr erstes Kind bekommen und dann vor der Frage stehen, wie es weiter gehen soll. Binder-Wildner weiß Fälle, in denen sich aus der Tagespflege im Lauf der Zeit eine Vollzeitpflege entwickelt hat. Die Sozialpädagogin verweist aber auch auf Familien, die es bei einem Pflegekind nicht belassen: Dann werden auch zwei oder drei Geschwister zusammen betreut. Solche Pflegeeltern findet sie vor allem im Westallgäu. Vermutlich sei das räumlich bedingt, weil die Menschen in den Dörfern nicht so beengt leben. Vielleicht stelle die Aufnahme eines Pflegekindes aber auch eine Alternative für Familienfrauen dar, die im ländlichen Raum keine angemessene Arbeit finden. Einmal im Monat treffen sich die Pflegeeltern aus dem Landkreis in Opfenbach zum Erfahrungsaustausch. Barbara Binder-Wildner begleitet sie dabei, holt auch mal Fachleute in die Runde, wenn zum Beispiel Rechtsfragen wie Sorgerecht oder der Umgang mit den leiblichen Eltern geklärt werden sollen. Denn letzterer dient dem Wohl des Kindes, das den Kontakt zu seiner Herkunftsfamilie möglichst nicht verlieren und eigentlich wieder dorthin zurückkehren soll. Der Aktionsabend findet am Donnerstag, 27. November, um 20 Uhr im St.-Anna-Haus in Opfenbach statt.

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