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Artikel: "Ständig in Angst, eingescharrt zu werden"

14. Oktober 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
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Gesprächsreihe Ehemaliger KZ-Häftling Peter Jehle erzählt aus seinem Leben

Kempten | mr | Seine schlimmste Zeit als KZ-Häftling scheint er verdrängt zu haben. Umso lieber kommt er im Pfarrzentrum St. Lorenz stets auf seine lebenslängliche Leidenschaft zurück, die Fliegerei, die Peter Jehle auch mit bald 86 Jahren nicht lassen kann. Kürzlich, strahlt er seine beiden Gesprächsführer, Stadtpfarrer Dr. Michael Lechner und Dr. Theo Waigel an, habe er eine Auszeichnung für "70 Jahre Herr der Lüfte" eingefahren.

Im Russlandfeldzug, so Jehle als "besonderer Gast" der Gesprächsreihe in St. Lorenz, sei er häufig mit einem "Lastensegler" unterwegs gewesen, habe die Truppe aus der Luft mit Nachschub versorgt. Bis zum 30. Oktober 1944. An diesem Tag setzte sich sein Vater, ein bekannter Flugpionier im Ersten Weltkrieg, in die neutrale Schweiz ab. Zum Entsetzen von Jehle war dies für die Nazis ein Grund, den Sohn sofort ins KZ Buchenwald zu stecken.

Dort traf der Soldat die Familien von Widerstandskämpfern wie Stauffenberg und Goerdeler.

Auch Josef Müller, den späteren Mitbegründer und ersten Vorsitzenden der CSU, lernte Jehle bei seiner Lager-Odyssee kennen (zuletzt war er in Schönberg im Bayerischen Wald und Dachau). Gefoltert worden sei er nicht, sagte der Zeitzeuge auf Anfrage. Am meisten habe ihn die ständige Angst bewegt, beispielsweise in einen Graben befördert und eingescharrt zu werden. Große Tapferkeit sei indes von dem evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer ausgegangen. Dieser habe nach der Ankündigung seiner Hinrichtung zu seinen Mithäftlingen gesagt: "Ich verlasse euch hier und beginne ein neues Leben".

Für Jehle begann das neue Leben mit der glücklichen Befreiung. Sofort widmete er sich wieder seiner liebsten Beschäftigung, begegnete als Prominenten-Flugpilot Persönlichkeiten wie Strauß, Willy Brandt, Axel Springer oder Lilo Pulver. All dies veranlasste Theo Waigel zu der Äußerung, dass nicht nur Prominente Zeitgeschichte schreiben könnten, sondern auch Menschen, die Ungeheures erlebt hätten.

Stadtpfarrer Lechner bewunderte die innere Stärke des knapp 86-Jährigen: Obwohl schon wenige Tage nach seiner Geburt die Mutter gestorben und Sohn Peter über Jahre zwischen Waisenhäusern und Tanten in Kempten hin- und hergeschoben worden sei, habe sich Jehle zu einem "gestandenen Mannsbild" entwickelt. Und dieses "Mannsbild" lebt schon seit 48 Jahren in Hamburg.

Dennoch gabs dicken Applaus für den St.-Lorenz-Firmling des Jahres 1932. Denn "mein Herz gehört Hamburg, meine Seele jedoch dem Allgäu", rief Peter Jehle den Besuchern im voll besetzten Pfarrsaal zu.