Diskussionsrunde: Was wird aus Fabrikgelände an der Iller? Kempten (sf). Einst war sie der 'Stolz der Stadt', wie Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl weiß. Und das soll die ehemalige Spinnerei und Weberei Kempten auch wieder werden: Auf dem über 100 000 Quadratmeter großen Fabrikgelände sind rund 300 Wohneinheiten geplant. Welche Geschichte mit dem Areal an der Iller verbunden ist und wie die Bebauung aussehen soll, darüber informierte jetzt eine Diskussionsrunde im Gasthaus 'Stift', die von den Wirtschaftsjunioren Kempten-Oberallgäu veranstaltet wurde.
Auf dem Podium saßen Baureferentin Monika Beltinger, Bezirksheimatpfleger Dr. Peter Fassl, Architekt Dieter Heiler und Immobilienmakler Matthias Korff. Moderiert wurde die Veranstaltung von Holger Hasenritter vom Vorstand der Wirtschaftsjunioren.
Im 19. Jahrhundert wurde das Allgäu vor allem Kempten und das Oberallgäu zur stärksten Industrie-Region in ganz Schwaben, blickte Bezirksheimatpfleger Fassl zurück. Verantwortlich dafür war die Textilindustrie. Etwa 100 Jahre dauerte die Blütezeit, bevor es ab 1950 abwärts ging. So liegt die Spinnerei und Weberei Kempten, 1852 von Augsburger Bankiers erbaut, seit zehn Jahren brach.
Fassl: 'Dabei gibt es von dieser Qualität nichts Vergleichbares mehr in der Stadt.' Bei der geplanten Bebauung hob er die Ostseite mit dem großen Spinnereigebäude als 'sehr erfreulich' hervor. Die Sanierung, die die denkmalgeschützten Gebäude zu Wohnungen umfunktioniert, erhalte den städtebaulichen Kontext und den historischen Bezug. 'Die monumentale Anlage verträgt sehr wohl Eingriffe in die Fassade' und die wesentlichen Strukturmerkmale seien trotz angebauter Wintergärten und Balkone noch sichtbar.
Anders bewertete Fassl den Entwurf für die Westseite: Die alte Shedhalle, in der die Weberei war, fast völlig abzureißen und auf eine Wandscheibe zu reduzieren, 'tut mir wahnsinnig weh'. Wenn dort wie geplant nur die Ost- und Nordfassade stehen bleibe, gleiche das einer 'Persiflage'. Mehrere Wortmeldungen aus dem Publikum gaben ihm recht.
'Aber was ist die Alternative?', fragte Baureferentin Beltinger. Wenn die Shedhalle erhalten werde, sich dann aber kein Investor dafür finde, sei nichts gewonnen. Die Westseite dürfe 'vom übrigen Gebiet nicht abgekoppelt werden'. Und trotz Weiterentwicklung bleibe die Denkmal-Substanz erkennbar. Wichtig sei, dieses Stück Stadtgeschichte mit seinen 10,5 Hektar das entspricht etwa 18 Fußballfeldern wieder lebendig werden zu lassen.
Auch Umfeld profitiert
Die Shedhalle sei mit Schadstoffen belastet und das Gebäude in seiner Statik nicht mehr stabil, erklärte Architekt Heiler den Abriss-Plan. Erhalten würden zudem der Ölturm und die Schlichterhalle im Süden der Weberei. Insgesamt werde das Gebiet durch die Bebauung 'enorm aufgewertet', meinte Heiler, dessen Büro den Bebauungsplan erstellte. Davon profitiere auch das Umfeld: Das Gelände werde für die Bevölkerung geöffnet Fußwege entlang des Westufers der Iller und quer rüber zum Engelhaldepark sollen eine Verbindung zur Altstadt schaffen. An eine Bebauung der Westseite ist in drei bis fünf Jahren gedacht.
Dagegen sollen die Arbeiter am Ostufer noch in diesem Herbst loslegen, erläuterte Immobilienmakler Korff mit ROI Projektbau (Villingen) und der Allgäuer Firma Geiger Investor auf der 60 000 Quadratmeter großen Ostseite. Probleme mit der Vermarktung der Wohnungen in den denkmalgeschützten Gebäuden sieht er wegen der steuerlichen Vorteile kaum. So hätten sich bereits 400 Interessenten gemeldet, unter anderem zwei konkrete Käufer für die alte Direktorenvilla eine Werbeagentur und ein Ärzteteam. Insgesamt soll die Anlage zum 'Dorf in der Stadt' werden. Dabei profitiere sie von dem vielen Grün, darunter auch das 20 000 Quadratmeter große Landschaftsschutzgebiet im Süden.