Startseite
Icon Pfeil nach unten
Allgäu
Icon Pfeil nach unten

Späte Begegnung mit einer Verlobten

Allgäu

Späte Begegnung mit einer Verlobten

    • |
    • |

    Von Horst Scholl, Kaufbeuren/Dießen - Für Paul Erdmann aus Kaufbeuren ist ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Außerdem schloss sich im Leben des 87-jährigen Weltkriegsveteranen ein Kreis. Er hatte - für ihn völlig unerwartet - Gelegenheit, ein Flugzeug vom Typ Dornier 24 (Do 24), mit deren Urversion er im Zweiten Weltkrieg als Seenotflieger zahllose Rettungseinsätze geflogen war und von denen er 1944 in geheimer Mission zwei Maschinen nach Spanien überführt hatte, in Augenschein zu nehmen und als Ehrengast einen Flug im Cockpit zu erleben. Seinen letzten Flug hatte Erdmann Wochen nach der Kapitulation im Jahre 1945 unternommen. An jenem Tag flog er im Verband mit weiteren 14 Do24 unter britischem Begleitschutz eine Evakuierungsmission von Guldborg/Dänemark nach Schleswig. Seitdem hat er ein solches Luftfahrzeug nicht mehr zu Gesicht bekommen. Iren Dornier, Enkel des Luftfahrtpioniers Claude Dornier, hat, nachdem die Redaktion der Zeitschrift 'Flugzeug Classic' den Besuch vermittelt hatte, den hoch betagten und trotzdem rüstigen Veteranen nach Oberpfaffenhofen beziehungsweise Dießen/Ammersee eingeladen. Auf dem Flugplatz in Oberpfaffenhofen begrüßte und umarmte Dornier den 87-Jährigen herzlich. Denn die Zahl der noch lebenden, ehemaligen 50 Do24-Piloten der Reichs-Luftwaffe, dürfte an einer Hand abzuzählen sein. Und dann kam der bewegende Moment des Wiedersehens mit der Maschine. 'Schön' fand er sie noch immer, 'die Do'. Und dies trotz der Modifizierungen die man lange nach Kriegsende an ihr vorgenommen hatte - neuartige Tragflächen, drei Turboprop-Triebwerke und ein einziehbares Fahrwerk, weshalb das ehemalige Flugboot zum Amphibien-Flugzeug wurde und seitdem Do24 ATT (Amphibischer Technologie-Träger) heißt. 'Es ist ein erhebendes Gefühl, wenn man das sieht. Man kann das gar nicht beschreiben', so Erdmann über seine Gefühle, die ihn beim Anblick der jetzt mit einem silbernen Anstrich versehenen Maschine überkamen. Denn mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei diesem Exemplar um eines der beiden Luftfahrzeuge, die er 1944 nach Spanien überführt hatte (AZ berichtete).

    Außerdem war er mit Flugzeugen dieses Typs mehrfach über See abgeschossen worden. Beim Blick ins Flugzeuginnere dachte er daran, dass dort, wo heute der Passagierraum mit komfortablen Ledersitzen eingerichtet ist, sich damals der Laderaum mit einfachen Kojen für jen für die Geretteten befunden hatte. jen für die Geretteten befunden hatte. Während des Flugs saß Erdmann als Ehrengast im Cockpit auf dem Sitz des Navigators und konnte Dornier beim Fliegen zusehen. Manches sei gleich geblieben, ging es ihm durch den Kopf - Steuerknüppel und Rad beispielsweise. Aber die vielen neuartigen Instrumente und Armaturen konnte er nicht interpretieren. Auch der Start auf einer Landpiste war Neuland für ihn. Die neuen Motoren hätten das Flugzeug ähnlich kraftvoll vom Boden abgehoben wie es die alten BMW-Sternmotoren auf dem Wasser getan hatten, meinte er. Doch hatte er den Eindruck, die 'alte Do' habe ruhiger in der Luft gelegen. Dies könne unter anderem an den beiden modifizierten Stummelflügeln liegen, in die das Hauptfahrwerk eingebaut wurde, mutmaßte er. Die Wasserung Dorniers vor Dießen sei 'Klasse', der spätere Start beim Abflug 'sehr gut' gewesen, urteilte der Veteran. Beeindruckt war er von den Menschenmassen, die sich am Dießener Seeufer drängelten, sowie dem Empfang der gesamten Flugzeug-Besatzung durch den Bürgermeister von Dießen, eine Fahnenabordnung sowie die Jugendkapelle aus Landsberg, die den Defiliermarsch spielte. Dornier stellte anschließend seinen 'Flight for Dreams' rund um den Globus zu Gunsten der UNICEF sowie Erdmann als 'alten Do-Piloten' vor und bat diesen, ein paar Worte zu sprechen. 'Viel war es nicht, was ich zu sagen hatte', meinte der Veteran später. Zu bewegt sei er gewesen. 'Ich war mit der Do verlobt, aber verheiratet war ich mit meiner Frau', verriet er dem Publikum, das neugierig darauf wartete, dass 'der alte Pilot' ein wenig aus dem Nähkästchen plauderte.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden