Konzert Geigerin Marina Chiche reizt Publikum bei Auftritt mit Orchesterverein zu Bravorufen">

Artikel: Solistin aus Paris spielt fabelhaft

26. November 2008 00:00 Uhr von Allgäuer Zeitung
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Konzert Geigerin Marina Chiche reizt Publikum bei Auftritt mit Orchesterverein zu Bravorufen

Von Rainer Schmid |KemptenAus Paris reiste die Solistin an. Und sie traf mit ihrem Geigenspiel den Nerv des Kemptener Publikums. Marina Chiche (27) spielte beim Symphoniekonzert des Orchestervereins im Stadttheater Mendelssohns e-Moll-Violinkonzert so fabelhaft schön, dass die Beifallsrufe nicht enden wollten und eine längere Solo-Zugabe folgen musste.

Einer altgriechischen Jugendgöttin gleich steht sie da, schmal gegürtet im schlichten schwarzen Kleid, das viele lange Falten wirft. Schon die ersten, wohlbekannten Takte des "Allegro molto appassionato"-Satzes, begleitet vom hochmotivierten Orchesterverein und ergänzenden Bläsern, tragen die Zuhörer in höhere Romantik-Sphären. Und erst die Kantilenen des zweiten Satzes! Sie ergreifen, trotz ihrer Geläufigkeit als festes Repertoire der Virtuosenprogramme, immer noch durch innige Melodik - wenn sie so gespielt werden, wie Marina Chiche es versteht.

Im bravourösen Finalsatz "Allegro molto vivace" eilt die Solistin an mehreren Stellen dem Orchester molto vivace eine halbe Sekunde voraus - ein Solist kann in technisch trainierten virtuosen Abläufen sein "eingestelltes" Tempo nicht willkürlich drosseln oder verändern.

Doch Marina Chiche hat Verständnis, ist nicht erkennbar irritiert. Spielt - jetzt ganz unromantisch und modern-analytisch - eine Bach-Sarabande als Zugabe. Erzwingt nach dem Schlusston viele Sekunden lang reglos ehrfürchtige Stille vor dem Werk des großen Musik-Meisters.

Mary Ellen Kitchens hat für den zweiten Teil des Konzerts die "Reformations-Sinfonie", ebenfalls von Felix Mendelssohn-Bartholdy, ausgesucht. Das Auftragswerk zur 300-Jahr-Feier der Augsburger Konfession, mit seinem Bach-Choral-Handwerk im vierten Satz, war zu seiner Entstehungszeit um 1830 einfach "nicht Mode, also erfolglos", erläutert Kitchens. "Aber für mich sind gerade diese Passagen die spannendsten Stellen."

Probleme mit der Intonation

Das gilt offenbar auch für die Streicher, die hier taktweise gröbere Intonationsprobleme haben.

Bestechend schön und geheimnisvoll dagegen spielen sie das Quintenmotiv des "Dresdner Amen" im ersten Satz (das Richard Wagner als Gralsmotiv in seinen "Parsifal" übernommen hat). Ein Lob auch an die Bläser, die hier prächtig den Kontrastpart mit Fanfaren ausfüllen.

Sinfonische Fanfarenklänge

Mit sinfonischen Fanfarenklängen beginnt auch Anton Bruckners Ouvertüre in g-Moll, die das Konzert des Orchestervereins Kempten - übrigens sein erstes im renovierten Kemptener Stadttheater - eröffnet.

"Was mir besonders daran gefällt, ist ihr streng gebauter Charakter, durchbrochen von lyrischen Stellen", sagt Dirigentin Mary Ellen Kitchens, bevor dieses Energiebündel am Pult mit seinem Stab das Orchester elektrisiert.

Und wirklich: Auch die Zuhörer im Stadttheater sind begeistert, wie lyrisch-sanglich Horn und Klarinette die Klangsteigerung zum Finale hin vorbereiten.