Kempten (sum). Wie sie wohl aussieht? Eine Frau, die 20 Jahre alle Höhen und Tiefen der Prostitution kennengelernt hat und erst seit kurzem aus dem Geschäft ausgestiegen ist. Das gemischte Publikum im Parktheater ist gespannt auf die Lesung von Lisa Moos. In nur drei Wochen hat sie sich wie besessen ihr Leben von der Seele geschrieben. Kein Lektor hat das autobiographische Buch (Titel: 'Das erste Mal und immer wieder') überarbeitet und dennoch ist es in den Bestsellerlisten geklettert. Und da ist sie: Blond, langbeinig, superkurzes Minikleid, 37 Jahre alt, mit einem herzlichen, mädchenhaften Lachen. In ihrem Gesicht spiegelt sich nur wenig von dem wider, was sie erlebt hat. Keine Bitterkeit, kein Hass. 'Vielleicht, weil ich Sex immer als eine wertfreie Dienstleistung gesehen habe.' Die Männer, die zu ihr kamen, habe sie 'nie verachtet', betont sie: 'Würde ich sonst noch mal heiraten wollen?' Und weil sie offenbar ein leidenschaftlicher, humorvoller Mensch ist, der eher sich selbst, als andere kritisiert. Nicht zu glauben, dass diese Frau jahrelang in Müll, unbezahlten Rechnungen und Selbstmitleid versunken sein soll, unfähig, ihr Leben selbstständig zu organisieren. Lisas Weg in die Prostitution beginnt in einem gutbürgerlichen Zuhause, wo sie mit elf Jahren vom Großvater missbraucht wird. Sie fühlt sich schuldig, vertraut sich niemandem an und fällt nach einer weiteren Vergewaltigung durch ihren Cousin in tiefe Depressionen. Lisa schmeißt die Schule, sie treibt ab, zwei Ehen scheitern und sie muss immer wieder um das Sorgerecht für ihre beiden Söhne ringen. Mal ist es der bloße Kampf ums Überleben, mal ihre Unfähigkeit mit Geld umzugehen, die sie in die Prostitution treiben. Sie macht alle Stationen durch - geht auf den Straßenstrich, arbeitet in Luxus-Bordellen, verkauft sich auf Sado-Maso-Partys. Wider Erwarten findet sie im Milieu wenig Feindseligkeiten, eher eine familiäre Verbundenheit. Lisa Moos weckt im Parktheater sogar Verständnis sowohl für ihr Gewerbe als auch für die männlichen Kunden. 'Für einen Mann ist ein Besuch im Puff, wie wenn er mal eben ein Käffchen nimmt', klärt sie ihre Zuhörerinnen lächelnd auf.
Domina auf Mallorca Aber was sei das schon, gemessen an dem großen Unterfangen einer gemeinsamen Kindererziehung, beispielsweise. Lisa weiß, wovon sie spricht, denn mit ihren eigenen Söhnen war sie lange Zeit allein. Als ihr persönliches Chaos so groß geworden ist, dass sie für den Jüngsten Adoptiveltern suchen muss, ist ihr Leben am Tiefpunkt angekommen. Sie empfindet es als eine Form von Selbstbestrafung, wenn sie in den folgenden Jahren als 'Domina' auf Mallorca arbeitet, auch wenn sie sich vor den Männern nie ekelt. Lisa ist eine Frau, die die Hoffnung nicht aufgibt. Am Ende gibt ihr eine neue Liebe die Kraft, aus dem Gewerbe auszusteigen. Sie gründet eine eigene Firma, die Software-Programme bearbeitet. Heute sagt sie: 'Man muss sich entscheiden, die Zukunft zu leben. Deshalb habe ich mir und anderen verziehen.' Mit diesem Schlusswort entlässt Lisa Moos nach dreistündiger Lesung ihr Publikum.