"Sind wir vom Museumsverein Hochstapler?" Diese Frage stellte sich der Oberstdorfer Alex Rößle mit Blick auf das Zugpferd des Heimatmuseums: den größten Schuh der Welt. Zumindest ziert dieser Titel seit Jahrzehnten schon die Museumsprospekte. Doch immer wieder erreichten den Heimatverein Nachrichten von anderen "größten Schuhen".
Und so begann Rößle erneut zu recherchieren, durchforstete das Internet, stieß auf verschiedenste Zeitungsartikel. Sein Resultat, das er inzwischen auf der Homepage des Heimatvereins veröffentlicht hat: Bis zum Jahr 2002 trug Oberstdorf den Titel vom weltweit größten Schuh anscheinend mit Recht - auch wenn keiner der Riesen-Schratt-Schuhe den Weg ins Guinnessbuch der Rekorde fand. "Früher gabs kein Guinnessbuch, später hat niemand den Eintrag veranlasst", vermutet Rößle.
Gefertigt wurde der erste Weltrekordschuh als Schaustück zur Deutschen nordischen Skimeisterschaft in Oberstdorf im Jahr 1930. Er wurde damals auf einem Wagen im Festzug mitgeführt und anschließend auf dem Schanzengelände aufgestellt. Schuhgröße: 450.
Doch war das gute Stück Hofschuhmachermeister Josef Schratt nicht groß genug. Zum 150-jährigen Firmenbestehen baute er seinen zweiten Riesenschuh, Größe 480. Genäht wurde der Skistiefel nach Angaben des Heimatmuseums mit sage und schreibe 40 Metern Bergseil, fürs Futter benötigte Schratt 20 Meter Rupfen. Der Schuh hat eine Länge von 3,19 Metern, eine Breite von 1,20 Metern und wiegt rund zwölf Zentner. Als er ins Museum gebracht wurde, musste eigens eine Wand herausgebrochen werden.
Trotzdem schaffte es im Jahr 2002 ein philippinisches Schuhpaar der Oberstdorfer Fußbekleidung den Rang abzulaufen: Fünfeinhalb Meter lang und über zwei Meter breit sind die ledernen Herrenschuhe jeweils und wiegen mehr als 1600 Kilo. Doch der Rekord hielt nicht allzu lange: 2005 wurde ein sechs Meter langer Arbeitsstiefel in Minnesota gefertigt.
Diesem wiederum lief die Firma Marke ("Lowa") mit einem Rekordschuh der Schuhgröße 1071 und einer Länge von 7,15 Metern den Rang ab. Der Bergstiefel steht inzwischen im deutschen Schuhmuseum Hauenstein.
Was heißt das nun für Oberstdorf? "Zumindest in den Jahren 1930 und 1950 waren die beiden Schrattschuhe die größten der Welt", sagt Rößle. Sein Vorschlag: Warum nicht mit dem "größten Schuh aus dem Jahr 1950" werben? Und bei genauer Betrachtung gebe es noch eine zweite Superlative: "Schließlich ist das gar kein normaler Schuh", sagt Rößle. Eigentlich handelt es sich bei dem Schrattstück nämlich um einen Skischuh aus Leder. Nicht kleinlich sein, fordert der Oberstdorfer daher mit einem Augenzwinkern. Werben kann das Museum schließlich auch mit dem "größten Lederskischuh der Welt".