Kaufbeuren (lö). - Einige der Senioren lauschen andächtig, haben einen versonnenen Blick. Andere strahlen förmlich, Hände und Füße wippen mit. Das Programm gefällt ganz offenkundig… Viele Familien haben am Heiligen Abend unverrückbare Traditionen. Sei es das gemeinsame Schmücken des Weihnachtsbaumes, das Essen von Würsteln mit Kraut, der klassische Spaziergang mit den Kindern vor der Bescherung. Die sechs Mädels der zwei Kaufbeurer Familien Scupin haben in den vergangenen Jahren ihre eigene Tradition entwickelt: Sie schenken pure Freude. Jedes Jahr am Nachmittag des 24. Dezember spielen sie im Altenheim am Gartenweg Weihnachtslieder und singen für die Senioren, die nicht mehr mobil genug sind, um an der allgemeinen Weihnachtsfeier im Heim teilzunehmen. Als Wolfgang Scupin 1999 die Leitung des Heimes übernahm, trat er zum ersten Mal mit seinen drei Töchtern Gesa (heute 13), Sophie (12) und Pauline (9) auf, um den Heimbewohnern eine besondere Freude zu machen. Für Pauline dürfte es zugleich eine ihrer ältesten Erinnerungen an das Fest sein: 'Sie war damals noch so winzig, dass wir sie auf einen Stuhl stellen mussten, damit die Leute sie gesehen haben', erklärt Wolfgang Scupin. Vor drei Jahren wurde aus dem Familienquartett ein Septett: Die drei nicht minder musikalischen Cousinen, die Zwillinge Simone und Christina (14) und Pamela (10), schlossen sich der Familientradition begeistert an. 'Wir finden das einfach schön, mit den älteren Menschen zusammen zu sein und ihnen eine Freude zu machen', sagt Pamela. 'Und die freuen sich wirklich total', weiß Simone. 'Sie warten schon jedes Jahr sehr darauf', ergänzt Wolfgang Scupin.
Fahrbare Musikalienhandlung Pauline, die selbst aussieht wie ein kleiner blonder Weihnachtsengel, hat 'schon im Kindergarten Flötespielen vom Papa gelernt', sie singt auch in einem Kinderchor, drei Mädchen spielen in ihrer jeweiligen Schul- oder Bigband, zwei haben Querflötenunterricht, zwei sind in einer Flötengruppe. Dementsprechend sieht der Schiebewagen, mit dem die Sechs und der Vater/Onkel am Heiligen Abend im Heim unterwegs sind, aus wie eine kleine Musikalienhandlung. Von der Blockflöte bis zum Bass sind mindestens zwölf Blasinstrumente aufgeladen, dazu ein Akkordeon, eine Gitarre, Notenständer und -ordner. Sieben Stockwerke hat das Heim, musiziert wird jeweils im Gemeinschaftsraum. 'Weil wir so selten alle unter einen Hut bringen, können wir nur wenig üben', räumt Scupin ein. Deswegen wird jedes Jahr ein 20-minütiges Programm entworfen, mit dem die Gruppe auftritt. Um dem jugendlichen Charme gerecht zu werden, den die sechs munteren jungen Damen versprühen, liegt der Schwerpunkt auf flotten, modernen Weihnachtsliedern wie Jingle Bells oder 'Ich wünsche mir vom Weihnachtsmann' - ein lustiges Lied, in dem die Hoffnung auf ein kleines Hängebauchschwein gehegt wird. Das gefällt den Senioren sehr. Überhaupt, es geht kein bisschen steif und offiziell zu. Die Mädels sind überhaupt nicht kontaktscheu, Scupins Töchter ohnehin gelegentlich gern gesehene Gäste im Heim. Regelmäßig muss der Heimleiter auch die Frage beantworten: 'Sind das alles Ihre Töchter?' Die Standardauskunft: 'Die blonden die Töchter, die dunklen die Nichten.' Anstrengend sei der Nachmittag aber schon, räumen die Mädchen ein. Sieben mal 20 Minuten, sieben Mal dasselbe Programm - das ist irgendwie echt Arbeit, auch 'wenn wir schon sehr zufrieden sind, wenn es Applaus gibt', sagt Simone. Für keines der Mädchen steht im Zweifel, ob es im kommenden Jahr wieder dabei ist. 'Man muss nicht unbedingt einen Vater oder Onkel als Heimleiter haben, um anderen Freude zu bereiten, aber ich bin schon sehr froh über meine Truppe', erklärt Wolfgang Scupin. 'Und wenigstens gehen wir am Heiligen Abend früh ins Bett, weil wir dann alle so fertig sind', meint Sophie.