Ein Schluck, noch einer, dann ist die Sache für den Experten klar: "Mild, süffig, im Antrunk sehr weich", sagt Theo Pezold und stellt den weißen Steinkrug mit dem dunklen Weizenbier wie zur Bestätigung seines Urteils auf dem Tisch vor sich ab. Der Chef des "Gasthof Traube" in Immenstadt, Sven Höllein, strahlt: "Prost", antwortet er und streckt seinem Gast seinen eigenen Krug entgegen. Immerhin gilt das Urteil seinem selbst gebrauten Bier. Und immerhin ist Pezold kein normaler Gast, sondern genau wie er selbst gelernter Bierbrauer.
"Als ich das erfahren habe, bat ich Theo schon im März, mein Bier mal zu testen. Er war einer der Ersten", berichtet der 37-Jährige. Seit dieser Zeit nämlich braut Höllein als Einziger in Immenstadt sein eigenes Bier und verköstigt seine Gäste damit. "Das ist schön und wichtig, dass jemand die Tradition fortsetzt", freut sich Pezold. Seine Meinung über das Bier selbst sei dabei viel weniger wichtig, meint er. Dass kleinere Brauereien langsam aber sicher verschwinden, bedauert der altgediente Braumeister sehr. "Heute gibt es doch fast nur noch Großbrauereien." Und Höllein braue sein eigenes Bier "ja quasi in zwei Töpfen."
Der 74-jährige Senior hat 40 Jahre lang seine Brötchen mit dem Handwerk verdient. Heute gehe das alles maschinell vor sich. "Wir haben noch Fingerspitzengefühl gebraucht", erinnert sich Pezold. Sein letzter Arbeitgeber vor elf Jahren war das Allgäuer Brauhaus in Kempten, nachdem die Kaiserbräu in Immenstadt 1989 ihre Produktion eingestellt hatte. Seither gab es kein selbst gebrautes Bier mehr im Städtle. Durch die Lehre ging der langjährige Immenstädter Stadtrat in einer "echten Klosterbrauerei" in Münnerstadt (bei Bad Kissinigen). "Studiert habe ich in Weihenstephan", erzählt er. Ab 1958 durfte er sich Diplom-Braumeister nennen.
Pezold kennt nicht nur die bayerischen Biere, sondern hat in seinen ersten Berufsjahren auch bei Haake-Beck in Bremen und der Kronenbrauerei in Dortmund gearbeitet.
Der Chef der Traube, Sven Höllein, war 14 Jahre lang Bierbrauer in Oberfranken und sieben Jahre in der Memminger Brauerei, bevor er im Mai 2007 in die Gastronomie wechselte. Gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn betreibt er seither die Traube.
"Aber Bierbrauen ist eben meine Leidenschaft", sagt der 37-Jährige. Und von der wolle er auch jetzt nicht lassen. "Das Schöne daran ist, dass man sieht, was man macht", erklärt der Wahl-Immenstädter.
Beinahe täglich verarbeitet er in einem vorschriftsmäßig abgetrennten Bereich im Gastraum seines Lokals jeweils 18 Liter Wasser, 20 Kilogramm Malz, Hopfen und Hefe zu einem obergärigen, dunklen Weizenbier. Aus dem dabei abfallenden Treber, ein wenig Bier und Hefe entsteht ein leckeres Brot. "Ein Sudprozess dauert sechs Stunden", berichtet Höllein. Dazu gehöre erstens das Maischen, also das Umwandeln von Stärke in Zucker für die alkoholische Gärung. Die Würze werde dann zwei Stunden lang unter Zugabe von Hopfen bei 98 Grad gekocht. Am darauf folgenden Tag kommt Hefe hinzu, bevor das Ganze für eine Woche in einem Kellerfass zur Gärung verschwindet. "Per Hand fülle ich das Bier dann in Flaschen ab", so Höllein. Dort wiederum wird es nochmals fünf Wochen lang gelagert, bevor das fertige Bier in der Traube auf den Tisch kommt. Natürlich in weißen Steinkrügen.