Den aufgeklappten Flügel brauchen sie höchstens zwischendurch, um sich ein tiefes A zu holen - meist reicht dazu eine Stimmgabel, die an der Perlenkette um den Hals der kleinsten der vier Frauen in Rot baumelt. Denn sie singen "a-cappella", ohne jedes Begleitinstrument (wenn wir mal rhythmisch swingendes Fingerschnipsen nicht rechnen). Ein baumlanger Mann in Schwarz steht ihnen zur Seite: "Stefan und die Zwerge" hat man die Formation schon frech genannt, oder auch "Kirchturm mit 4 Rehlein". In der Kemptener Galleria gab das lebenslustige Quintett ein kurzweiliges Konzert.
"Voice Essence" nennen sich die fünf selbst. Vieldeutig, weil "essence" nicht nur Wesen, Wesentliches bedeutet, sondern auch Notwendiges, was man zum Leben braucht. Und dazu gehört für Isolde Gröber, Katharina Babl, Brigitte Riskowski, Lilo Naumann und Stefan Denz das gemeinsame Singen.
Von Meer und Möwen
Vorwiegend amerikanische A-cappella-Klassiker haben sich die Fünf in den letzten drei Jahren erarbeitet, schön schräg und schwer zu singen: "Come in and stay a while", "Sunny", "Good Night", "Blue Moon", "Sentimental Journey". Beim Arbeitslosenlied "Sitting on the Dock of the Bay" darf der volle Saal (die hölzerne Kassettendecke garantiert optimale Akustik) zu seiner Gaudi zischendes Meeresgebraus und spitze Möwenschreie beisteuern.
Deutsche Spezialitäten
Aber auch deutsche Spezialitäten werden serviert, garniert mit lustigen Kommentaren aus der Singeküche: Der gute alte "Kriminal-Tango" zum Beispiel. Da wird auch noch düster vermummt dazu getanzt und geshoutet: "O-chi-chuah!" Trotzdem zählt sichere Intonation bei den fünf Singwütigen zur Grundausstattung ihrer klaren Sopran- und Altstimmen. Der männliche "Bass" ist beileibe kein Ivan Rebroff - aber ein solcher würde ja gar nicht zum homogenen Gesamtklang des Quintetts passen.
Ob man die Nummer mit den putzig-braunen Papp-Geweihen auf dem Kopf der vier singenden "Rehlein", samt Christian Morgensterns "Gebet", noch als Kunst-Szenario sehen darf, sei dahingestellt. Dafür entschädigte ein schmissig swingender Bill-Ramsey-Song, inszeniert mit verteilten Rollen: "Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett".
Ohne wenigstens drei Zugaben wollten die begeisterten Zuhörer an diesem Abend auch nicht ins Bett.