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Rücken schon die Soldaten an?

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Rücken schon die Soldaten an?

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    Eine leidenschaftliche und assoziationsreiche Paukenmesse von Haydn in Oberstaufen Von Klaus Schmidt Oberstaufen Wenn früher die Soldaten mit Musik in die Schlacht zogen, dann erfüllten die kampfeslus-tigen Klänge zwei Funktionen: Zum einen sollten sie den eigenen Männern Mut machen, zum anderen den Gegnern Furcht einflößen. Vor allem letztere Situation greift Joseph Haydn in seiner sogenannten Paukenmesse auf, wenn er im Agnus Dei die eindringliche Bitte an Gott Erbarme dich unser mit einem wie von ferne hereinklingenden Paukenwirbel kontrastiert. Rückt hier eine Streitmacht an und verbreitet Angst und Schrecken? Man will es gerne glauben. Denn die Interpretation, die Helmut Hollweck zusammen mit dem Kirchenchor Oberstaufen, Allgäuer Instrumentalisten und Sonthofer Gesangssolis-ten in der Oberstaufner Pfarrkirche St. Peter und Paul gelingt, ist an klanglichen Bildern so reich, dass sie immer wieder Assoziationen weckt. Assoziationen, die der Komponist beabsichtigt hat: Als Haydn seine Missa in tempore belli 1796 schrieb, führten Europas feudale Dynastien Krieg gegen die junge Republik Frankreich. Und deren Heer unter der Führung des Generals Bonaparte näherte sich nach Erfolgen in Norditalien bedrohlich Österreichs Grenzen. Nicht zufällig ähnelt daher der furchterregende Paukenwirbel im Agnus Dei an den Rhythmus, den französische Militärtrommler anschlugen. Schaudern vor dem Sensenmann Doch auch die übrigen Sätze dieser Vertonung des Messetextes reflektieren die Kriegsgefahr, wie Helmut Hollweck hörbar macht. Bereits der langsame Eröffnungsteil des Kyrie schafft eine unheilvolle Atmosphäre: Die dumpfen Schläge der Pauke erinnern an eine langsam schwingende Totenglocke.

    Im Adagio-Teil des Glorias schildert ein sich einschleichender fahler Klang das Erschaudern vor dem Sensenmann und im Benedictus scheint jener, der da im Namen des Herrn kommt, weniger ein friedlicher Erlöser zu sein, denn ein waffenbewehrter Kriegsherr. Hofft man da auf einen starken, mächtigen Retter?Vor allem die langsamen Sätze kostet Hollweck aus. Da werden bereits die instrumentalen Einleitungen zum Erlebnis: Mit Dramatik aufgeladen, reflektiert der Beginn des Incarnatus est im Credo schon bei Jesu Geburt dessen leidvolles Sterben. Oder ein inniges Cellosolo charakterisiert die Intensität und Wärme, mit der im Qui tollis peccata mundi des Gloria später die Hoffnung auf Erlösung beschworen wird und sich doch immer wieder verdunkelt. Fritz Gschwendtner gelingt in diesem Satz eine intime und dennoch farbenreiche Gestaltung seines Bass-Solos. Er führt damit das Solistenquartett an, das mit Brigitte Neves schlankem höhensicheren Sopran, Heike Glinkas sonorer, warmer Altstimme und Bernd Neves metallisch-scharfem Tenor sich als ideal für Hollwecks leidenschaftliche, fast romantische Lesart erweist. Obwohl der Dirigent mitunter auf opulente Klangpracht setzt, arbeitet er reiche Differenzierungen und Details heraus. Auch Dank hervorragend disponierter Choristen und überwiegend engagiert aufspielender Instrumentalisten (herausragend: Franz Baurs phantasievolle Gestaltung des Paukenparts) versiegt die Spannung nie. Von der ersten bis zur letzten Minute wird deutlich, was für ein starkes Stück Haydn da gelungen ist. Gegenüber ihm wirken die beiden anderen Werke des Abends nur wie Bei-gaben: das würdevoll vorgetragene Sancta Maria von Wolfgang Amadeus Mozart und das liebevoll detailreich gestaltete Halleluja aus Georg Friedrich Händels Messias. Letzteres bringt dann endlich jene erlösende Befreiung von unheilvollen Ahnungen, die in der Paukenmesse nicht zu finden war. Denn dort trübte selbst jubilierende Passagen immer ein Bangen: Hören wir schon Truppen auf-marschieren?

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