1170 Kilometer, 11 700 Höhenmeter, 51 Stunden auf dem Tandem – nackte Zahlen, hinter denen sich das verbirgt, was Rudi Mellert als 'besonderes Erlebnis' bezeichnet. Der Weilerer ist zusammen mit seinem blinden Partner Joachim Leibiger bei der Euro-Tandem-Pilger-Tour ein gutes Stück auf dem Jakobus-Pilgerweg nach Santiago de Compostela geradelt.
Rudi Mellert ist das, was man einen begeisterten Hobbyradler nennt. Doch mit dem Tandem war der 61-Jährige zuvor noch nicht unterwegs gewesen. Nach einem gemeinsamen Trainingswochenende ging er zusammen mit seinem Partner aus Thüringen an den Start der Tandem-Pilger-Tour, als eines von einem Dutzend Tandems. Unterstützt wurde die Tour von Westallgäuer Sponsoren.
Die Route führte durch 'wunderschöne Landschaften, Berge, Schluchten' und hatte auch 'giftige Anstiege' (Mellert) zu bieten. Trotz der kurzen Eingewöhnungszeit hat das Radeln 'gut geklappt', wie Mellert schildert. 'Viel kommunizieren', nennt er einen Tipp, wie es mit einem blinden Partner auf dem Tandem funktioniert. Als Begleiter hatte der Weilerer die Verantwortung auf dem Rad, er war aber gleichzeitig Betreuer seines Co-Piloten.
'Du kannst nicht einfach sagen, ich stell mein Rad ab und geh’ einkehren', verdeutlicht er einen Unterschied zu einer normalen Radtour. Die war auch für seinen Partner eine Herausforderung. Nicht nur, dass er bei Abfahrten mit fast 80 Stundenkilometern blindes Vertrauen zum Piloten haben musste, der tägliche Zimmerwechsel bedeutet für den Blinden auch jeden Tag eine neue, ungewohnte Umgebung.
Der Umgang miteinander erfordert Verständnis, wie beide schildern: 'Helfen ohne zu bevormunden oder die Eigenständigkeit des Blinden einzuschränken', beschreibt Leibiger das Verhältnis zwischen Betreuer und Behindertem. Bei dem Allgäuer-Thüringer Duo hat es 'bestens funktioniert', wie die beiden bestätigen.

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'Überwältigt' hat Rudi Mellert die 'herzliche Gastfreundschaft' der Spanier. Überall wo, die Gruppe auftauchte, wurde sie mit offenen Armen empfangen. In Funk und Fernsehen sorgte die Euro-Tour für großes Aufsehen. Auf der gesamten Strecke wurde der Tross von der Polizei eskortiert. Organisiert wurde die Tour von der Schwegler-Stiftung. In Pamplona stieß ein Team der Blindenstiftung Once dazu mit aktiven Radlern aus Kanada, Brasilien, Südafrika und sehbehinderten Co-Piloten aus Spanien.
Auch wenn hinter der Tour keine religiösen Motive steckten, blieb für die Radler Zeit, um die bedeutenden Kathedralen entlang der Strecke zu besichtigen und Pilgermessen zu besuchen.
Bleibende Eindrücke hat Rudi Mellert von der Tour mitgebracht und eine Erkenntnis: 'Wir sind mit vielem nicht zufrieden, mit dem man eigentlich zufrieden sein müsste.' Nach den positiven Erfahrungen planen die beiden schon die nächste gemeinsame Unternehmung: Im August geht es zur Tandem-Tour nach Thüringen.