Von unserem Redaktionsmitglied Klaus-Peter Mayr Nesselwang - Hierzulande witzeln wir ja gerne über Österreich, den kleinen Nachbarn. Der aber hat uns auf vielen Feldern längst überflügelt. Beispielsweise auf dem Gebiet der Musik. Zwei einzigartige (Bläser-)Ensembles kamen nun innerhalb kurzer Zeit ins Allgäu und bliesen ihren Zuhörern quasi die Ohren weg. Neulich in Immenstadt war das 'global. kryner' mit einer einzigartigen Mischung aus Oberkrainer-Sound und Weltmusik. Nun war das famose Septett Mnozil Brass in Nesselwang zu Gast. Auch diese Halle war knallvoll (800 Besucher), wieder waren alle aus dem Häuschen.Überrascht waren allerdings auch viele. Denn die Truppe aus Wien tauchte diesmal nicht mit ihren witzigen Arrangements bekannter und unbekannter Stücke auf, sondern mit dem 'Trojanischen Boot', einer, nun ja, Art Operette. Damit haben sie im Sommer bei der Ruhrtriennale in Bochum für Furore und kräftiges Rauschen im Blätterwald gesorgt. Spiegel oder Frankfurter Allgemeine Zeitung überschlugen sich vor Lobeshymnen über diesen 'Mix aus Einfalt, Liebreiz und weltanschaulicher Spaßvögelei'. Ja, vor allem ein musikalisch-theatralischer Riesenspaß ist das 'Trojanische Boot'. Der steirische Autor Bernd Jeschek verfasste im Auftrag der Ruhrtriennale das Libretto, die Musik komponierten die sieben Herren von Mnozil Brass dann mehr oder weniger kollektiv. Angeblich existieren nicht einmal Noten. Unglaublich. Was die Truppe auf der Bühne über drei Trompeten, eine Basstrompete, zwei Posaunen und eine Tuba auswendig herausbläst, ist kunstvoll, raffiniert, hochvirtuos. Der Plot dieses etwas anderen Singspiels ist schnell erzählt.
Zwei Inseln irgendwo in den Weiten der Ozeane - die eine kriegerisch, die andere künstlerisch-friedlich - bekommen Besuch. Ein geheimnisvolles Schiff ankert dazwischen, nur eine schöne Prinzessin ist an Bord. Damit beginnt der Schlamassel. Wie die Geschichte sich entwickelt und wie sie endet, braucht nicht weiter zu interessieren. Nur wie sie erzählt wird. Mit viel Blechklängen, natürlich. Aber auch mit reichlich Theater und Gesang. Es sind irre Typen, diese glorreichen Sieben aus Wien, die sich 1992 in einer Kneipe fanden. Und deshalb können sie auch klasse schauspielern. Autor Jeschek lenkt die Sache mit jeder Menge verrückter Regieeinfälle. Mit dem Singen ist es eine andere Sache, in den Stimmbändern fehlt es nämlich ganz gewaltig. Aber das macht nichts. Denn ums (schöne) Singen geht es sowieso nicht. Mnozil Brass kippt kübelweise Ironie und Parodie aus - über Liebe und Krieg, über männliches Imponiergehabe und weibliche Koketterie. Und natürlich über das Genre selbst, die Operette. Die Ausdrucksmittel reichen - neben den rein musikalischen - von der anzüglich bewegten Augenbraue über eindeutig zweideutige Gesten bis hin zu irrwitzigem Klamauk mit einem karrusselartig kreisenden Alphorn. Welch ein Spaß. Und welche Köstlichkeiten für Augen und Ohren. Am Ende gab es Ovationen im Stehen und Forderungen nach mehr. Das brachte einen virtuos verulkten Florentiner Marsch (ursprünglich von Julius Fucik) ein und noch mehr Hunger nach Musik vom Nachbarn aus Österreich.