Kempten (mun). - Wegen mehrfacher Beleidigung von Richtern hat das Kemptener Amtsgericht einen 56 Jahre alten Allgäuer Rechtsanwalt zu einer Geldstrafe von 2000 Euro verurteilt. Der Anwalt hatte in diversen Schriftsätzen Richtern verschiedener Gerichte vorgeworfen, sie seien bestechlich und hätten ihn erpressen wollen. Unter anderem hieß es in einem Schriftsatz, 'gegen das organisierte Verbrechen unter Einbeziehung von Richtern ist jedermann machtlos'. Das jetzige Verfahren vor dem Kemptener Amtsgericht betraf eigentlich nur die Spitze eines Eisberges. Denn seit Jahren verfasst der Anwalt Schriftsätze, in denen er Richter und Staatsanwälte beschimpft - quer durch alle Instanzen vom Amtsgericht bis hin zum Oberlandesgericht (OLG). So schrieb der Rechtsanwalt laut Anklageschrift unter anderem an einen Richter des OLG: 'Mir ist aufgefallen, dass Sie eine kriminelle Vereinigung gebildet haben'. Hintergrund der außergewöhnlichen Rundumschläge: Der Anwalt fühlt sich seit Jahren von der Justiz falsch behandelt. Beim Konkursverfahren seines Unternehmens habe ihn der damalige Konkursverwalter über den Tisch gezogen und daran hätten Richter mitgewirkt. So musste sich die Kemptener Justiz jetzt einmal mehr mit der Frage auseinander setzen, wie weit die Meinungsfreiheit gehen darf und wo die Grenze zur Beleidigung und zur üblen Nachrede überschritten ist. In einem ähnlichen Verfahren hatte das Bayerische Oberste Landesgericht den jetzt Angeklagten vom Vorwurf der Beleidigung frei gesprochen, nachdem er einem Richter Rechtsbeugung vorgeworfen hatte. Amtsrichter Johann Schlosser war in der neuerlichen Verhandlung nicht zu beneiden.
Denn immer wieder setzte der Anwalt auf der Anklagebank zu ungewöhnlich langen und ausschweifenden Ausführungen an. Allein für das ihm zustehende 'letzte Wort' vor der Urteilsverkündung benötigte er über eineinhalb Stunden. Der Staatsanwalt warf dem Angeklagten vor, er habe geradezu hahnebüchene Behauptungen aufgestellt. Und er könne die Korruptionsvorwürfe genauso wenig beweisen wie die anderen aufgestellten Behauptungen. Für den Staatsanwalt stand fest, dass in den Schriftsätzen die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten seien. 'Für mich sind sie ein feiger Schreibtischtäter', sagte ein als Zeuge vernommener Richter dem 56-jährigen Anwalt ins Gesicht. Dieser beteuerte wiederholt, er habe niemanden beleidigen wollen. Im Gegenteil: Es gehe ihm darum, das Ansehen der Richter in der Öffentlichkeit zu stärken und er habe auf Missstände hinweisen wollen. Strafantrag gegen den Rechtsanwalt hatte die Präsidentin des Oberlandesgerichts gestellt. 'So etwas ist wohl im gesamten Oberlandesgerichts-Bezirk einmalig', kommentierte der Staatsanwalt, der wegen Beleidigung und übler Nachrede eine Strafe von 180 Tagessätzen zu je 20 Euro forderte. Der Richter blieb mit seinem Strafmaß noch deutlich darunter. Die Tagessätze seien so niedrig angesetzt worden, weil der Angeklagte nach eigenen Angaben derzeit keine Einkünfte hat. Deshalb bemisst sich die Höhe der Tagessätze fast am Sozialhilfe-Niveau.