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Respekt sollen die Kinder schon haben

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Respekt sollen die Kinder schon haben

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    Kaufbeuren (avu). - Himmel und Hölle liegen für Nikolaus und Knecht Ruprecht nah beieinander. 14 Auftritte im Halbstundentakt werden sie heute und morgen in der Region absolvieren. Das sind pro Tag bis zu 350 Kilometer, dazu die Hitze unter Bärten in warmen Stuben, die Kälte im Auto. Es gibt Familien, da wird der Nikolaustag zelebriert, mit Plätzchen, Punsch, bei Kerzenlicht, Gedichten und festlicher Musik. 'Zu solchen Menschen kommen wir gerne', brummt Knecht Ruprecht. Und es gab die Lausbuben in Stöttwang, welche die aus frostiger Nacht eintretenden Gestalten mit Kissen bewarfen. 'Nein, da sind wir dann nicht mehr gewesen', sagt der Nikolaus. Seit zehn Jahren sind Heinz Hofmann (52), Sachgebietsleiter interne Verwaltung bei der AOK, und Herbert Heinzl (52), kaufmännischer Angestellter bei Erdgas Schwaben, ein Gespann: Hofmann als Nikolaus mit umgehängtem weißen Bart; Heinzl als Knecht Ruprecht mit echtem dunklen Bart, den er bereits zwei Monate vor dem 6. Dezember nicht mehr stutzt. Als Heiliger fährt Hofmann schon sein halbes Leben durch die Ortschaften. Vor 25 Jahren fiel seinem Schwiegervater, damals Nikolaus, der Krampus aus. Der Sohn sprang ein, aber man tauschte die Rollen. 'Ich war wohl der bessere Heilige', erinnert sich der Freizeitschauspieler, der auch bei 'Aufbruch Umbruch' und in der Kulturwerkstatt mitmacht. Irgendwann wollte der Schwiegervater nicht mehr. Mit Herbert Heinzl als Knecht - man kannte sich aus der Stadtkapelle - ging er fortan in Kindergärten, Schulen, auf Betriebs- und Vereinsfeste sowie in die Stuben der Familien, die Braven belohnen und die Unartigen ermahnen. Einen Boss hat das Duo nicht. 'Es ist ein Wechselspiel', sagt Heinzl. Das 'Draußen vom Walde komm' ich her' teilen sich beide und pflegen damit moderne Gleichberechtigung. 'Wir kommen auch nicht mit der Erziehungsknute', sagt Hofmann, 'Es geht ums Brauchtum.' Wichtig sei, dass ihr Auftritt von allen als 'angenehme Veranstaltung mit höchstens konstruktiver Kritik' empfunden wird. 'Die Kinder sollen sich nicht fürchten, aber Respekt haben', sagt Hofmann. 'Die Autorität des Heiligen muss spürbar sein.' Jedes Lob, jedes Präsent zaubert ein Lächeln auf die Kindergesichter. Wenn die Eltern wollen, sprechen Hofmann und Heinzl auch die 'Vergehen' der Kleinen an. Auf den eiligst vor dem Eintritt ins Haus oder in die Wohnung zugesteckten Zetteln findet sich oft geballtes Elternleid - vom hektisch hingekritzelten 'Zähne besser putzen' oder 'Zimmer aufräumen' bis zum liebevoll formulierten Gedicht über Schnuller und Windeln, die fortan überflüssig sein sollen. Über den pädagogischen Wert solcher Ermahnungen lässt sich trefflich diskutieren. Beeindruckt sind die Kinder aber allemal, wenn Heinzl behutsam mit der Kette rasselt und Hofmann routiniert den Stab wiegt.

    Bei Blitzeis im Graben Aber natürlich machen auch ein Heiliger und sein Helfer mal Fehler. So vergaß Hofmann einst das goldene Buch in einer Wohnung und musste sich bei der nächsten Familie mit einem Ersatz zufriedengeben. Samt Schwiegervater schleuderte er bei Blitzeis in den Straßengraben; mit zerbeultem Kotflügel erfüllten beide ihren himmlischen Auftrag. Und auch ein Nikolaus hat körperliche Gebrechen. Hofmann hängt sich zwar einen unechten Bart um, dafür muss er seine echte Brille in der Tasche verstauen: Ein Nikolaus trägt keine Sehhilfe. Und außerdem würden ihn aufmerksame Dreikäsehochs sofort erkennen nach dem Motto: Das ist Onkel Heinz! Stolz versichert er, dass ihm die Peinlichkeit einer Entlarvung bisher erspart blieb. Dennoch ist jeder Auftritt eine Gratwanderung. 'Den Kindern werden ja vorher oft Horrorgeschichten erzählt nach dem Motto: Die Bösen kommen in den Sack', sagt der Nebenerwerbs-Nikolaus, der das nicht hilfreich findet. Denn es gibt - wenn auch selten - die Kleinen, die im Angesicht des ehrwürdigen Heiligen und seines kautzigen Helfers einen tüchtigen Schreck bekommen. Dann, das versichern beide milde lächelnd, tritt Knecht Ruprecht in den Hintergrund, der große Mann im roten Umhang geht auf Tuchfühlung mit dem aufgelösten Kind. Und seine Botschaft lautet: 'Der Nikolaus hat jeden lieb.'

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